Besserwessi Münch statt Blockflöte Gies

Werner Münch zum Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt gewählt/ Zuvor Kuddelmuddel um Wahlzettel/ Sechs von neun Ministern im Amt bestätigt/ Opposition kritisiert Wahl eines Westdeutschen/ Münch: „Bin innerlich unheimlich engagiert“  ■ Aus Magdeburg E. Löblich

Zuversicht herrscht vor der Wahl Werner Münchs zum neuen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt bei der SPD-Fraktion im Landtag. Für jeden Koalitionsabgeordneten, der nicht für den Westimport aus Niedersachsen stimmt, versprach SPD-Sprecher Jürgen Kriesch der wartenden Journaille eine Flasche Sekt. Nach der Wahl wurde dann Selters kredenzt. Werner Münch bekam nicht nur alle 59 Koalitionsstimmen, auch zwei Abgeordnete der Opposition haben für ihn gestimmt.

„Die zwei Stimmen für Münch aus der Opposition können nur von der PDS kommen“, war sich der SPD-Gegenkandidat Reinhard Höppner sofort sicher und machte damit deutlich, daß nicht nur die CDU sich die SED-Nachfolgepartei zum politischen Feindbild erkoren hat. Der Wahltag, der die ganze Tagesordnung der regulären Landtagssitzung über den Haufen warf, begann mit einer Formalie. Zwei Stunden vor Beginn der Sitzung erhielt Landtagspräsident Klaus Keitel das Rücktrittsschreiben des glücklosen Gerd Gies. Mit einem einzigen Satz verabschiedete sich der Tierarzt aus Stendal und ward für den Rest des Tages nicht mehr gesehen. PDS-Fraktionschefin Petra Sitte weint dem Ex- Ministerpräsidenten keine Träne nach: „Es gibt Verluste, die bereichern.“ Womit sie bestimmt auch vielen CDU-Kollegen aus der Seele sprach. So glatt wie vorgesehen ging Münchs Wahl zum Gies-Nachfolger dann doch nicht über die Bühne. Die Stimmzettel, die die Landtagsverwaltung vorbereitet hatte, stießen bei Koalition und Opposition auf einhellige Kritik. Unübersichtlich und fehlerhaft, fanden die Abgeordneten. Die Landtagsdruckerei druckt in fieberhafter Eile neue Zettel.

Landtagspräsident Keitel staunt, als Petra Sitte dann fragt, wo auf den neuen Stimmzetteln sie denn eine Neinstimme unterbringen könne. Tatsächlich besteht nun nur noch die Möglichkeit, für Münch oder Höppner zu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten. Keitel stellt den neuen Stimmzettel zur Abstimmung, und mit der großen Koalition der PDS- Gegner im Landtag wird der Sitte- Einwand vom Tisch gewischt.

Zuvor wurde die SPD mit einem Antrag auf Auflösung des Landtags aber ebenso abgebügelt wie dann die PDS. „Wir haben noch keine Verfassung und damit noch keine rechtliche Grundlage für Neuwahlen“, fand CDU-Fraktionssprecher Joachim Auer. Und eine „ungeregelte Selbstauflösung des Parlaments“ wollten weder Auer noch seine Freunde aus der Regierungskoalition mitmachen. Sagten sie jedenfalls. Die aktuellen Meinungsumfragen, nach denen die Koalition derzeit überhaupt nicht gut aussieht, werden wohl eher den Ausschlag dafür gegeben haben, daß CDU und FDP eine Abstimmung über den SPD-Antrag gar nicht erst zulassen wollten. Das Manko, kein einheimischer Politiker zu sein, versuchte Werner Münch wenige Minuten vor der entscheidenden Abstimmung mit Sympathiewerbung auszugleichen. „Ich möchte Sie bitten, mich als einen der Ihren anzuerkennen“, sagte er und vermied dabei sorgfältig jeden Blick in Richtung PDS. „Schließlich bin ich hierhergekommen, weil ich innerlich unheimlich engagiert bin.“

Wie 'adn‘ ergänzend mitteilte, wurden alle Ressortchefs mit Ausnahme von Innenminister Wolfgang Braun (CDU) und Kultusminister Werner Sobetzko (CDU) in ihren Ämtern bestätigt. Deren Amtsgeschäfte werden von Kabinettskollegen weitergeführt. Münch selbst bleibt kommissarisch Finanzminister. Braun (CDU) und Sobetzko, so scheint es, und womöglich auch Bundes- und Europaminister Gerd Brunner sitzen künftig statt auf der Regierungsbank auf ihren Abgeordnetenstühlen. Aber die sind im Landtag von Sachsen-Anhalt auch ganz komfortabel. Insbesondere Braun und sein politischer Intimus Gerd Gies können sich aber selbst dieser Polster nicht ganz sicher sein. Die Staatsanwaltschaft von Magedburg hat am Donnerstag Vorermittlungen aufgenommen, ob Gies tatsächlich Abgeordneter mit dubiosen Stasi-Vorwürfen zum Mandatsverzicht genötigt habe. Trifft das zu, stehen Gies und Braun auch als Abgeordnete zur Disposition.