Wenn Sie sich vergiften wollen

■ „...dann tun Sie es bitte in Ihrer Garage“ / Grüner Streit um neues Wahlplakat

„Wer aus der Opposition heraus Wahlkampf macht, muß bissig sein, muß provozieren.“ Da ist der Viertelbürgermeister Hucky Heck ganz rigoros. Er hatte sich deshalb ohne wenn und aber hinter das neue Wahlkampf-Plakat gestellt, während die Grünen in Wahlkampfkommission und Landesvorstand noch heftig um ihre Position stritten. „Wenn Sie sich schon vergiften wollen, dann tun Sie es doch bitte in Ihrer Garage!“, steht da weiß auf schwarz vor gelber Blechlawine.

Bauchschmerzen hatten einige Grüne bekommen, als sich dieser Slogan in ihren Reihen herumsprach und wie mit stiller Post kleine Abwandlungen erfuhr: Assoziationen an Vergasung und Krematorien des Dritten Reichs befürchteten sie. Marieluise Beck-Oberdorf und Ralf Fücks stießen deshalb eine Debatte an. Sie führten einen Aufsatz ins Feld, in dem eine französische Wissenschaftlerin „Das Grüne Theater“ zu „kollektiven Äußerungen einer unbewußten Schuld“ analysiert. Die Französin hatte darin den Film „Shoah“ (von Claude Lanzmann) zitiert und die Gaswagen beschrieben, in denen die Menschen mit Auspuffgasen vergast worden waren.

„Genau den Bezug wollten wir nicht“, betonen Uli Schwecke (der dieses Plakat entworfen hat) und Erika Genreith (Geschäftsführerin der Grünen). Der Spruch soll stattdessen darauf anspielen, daß in jeder Garage das Schild hängt: „Vorsicht. Vergiftungsgefahr bei laufendem Motor.“ Ganz bewußt sei auf dem Plakat deshalb von „Vergiften“ und nicht von „Vergasen“ die Rede. „Wenn Leute anders denken, dann müssen sie ihre eigenen Phantasien hinterfragen und nicht die unseren“, erklärte Erika Genreith den Standpunkt, auf den sich der Landesvorstand nach der zweiten heftigen Diskussion dann geeinigt hatte.

Auch die GegnerInnen des Plakats hatten sich von den Argumenten soweit überzeugen lassen, daß das Plakat mit nur zwei Enthaltungen ins Rennen geschickt wurde. „Wir lassen es drucken und werden das politisch auch durchstehen“, so Genreith. Gute Gründe gebe es dafür genug. Zumal in Süddeutschland zur Zeit alte Menschen und Kinder in den Städten verstärkt aufgefordert werden, wegen der Wetter- und Ozonlage das Haus nicht zu verlassen. Diese Realität, die mit dem Verhalten von jedem einzelnen zusammenhänge, verdrängen alle.

Wahlkampf ist kein Ringelpietz. Inhalte lassen sich eben nicht über Plakate vermitteln, meint Hucky. Und Werbemann Schwecke ist froh, daß die Grünen sich von ihren hausbackenen Entwürfen früherer Zeiten abbringen lassen. „Es war eine gute Debatte“, bescheinigt er Wahlkamfkommission und Landesvorstand. Jetzt wird er ihnen noch ein Frauenthema, ein Demokratiemotiv und ein Schlußplakat entwerfen.

Rosi Roland