Professoren hüten ihre Mär vom Streß

■ Aber damit ist es jetzt vorbei/ Eine Studie am OSI zeigt: Professoren sind längst nicht so überbelastet, wie sie behaupten/ Studenten gaben ihnen schlechte Noten/ Aufwertung der Lehre

Dahlem. »Einem statistischen Lehrpersonal von 100 Prozent stehen an unserem Fachbereich faktisch weniger als 50 Prozent einigermaßen akzeptables Lehrpersonal gegenüber.« Allein 30 bis 35 Prozent aller Lehrenden gingen mit ihrem Lehrangebot nahezu spurlos an den Studierenden vorbei, andere würden durch Forschungssemester, unbesetzte Stellen und Teilzeitprofessuren eingeschränkt. So faßte Peter Grottian, Professor am Fachbereich Politische Wissenschaften der FU, gestern das Ergebnis einer Studie zusammen, die sich mit der angeblichen Überlastung der DozentInnen beschäftigt hat. »Die Studie soll vor allem dazu dienen, das Stiefkind Lehre in ein angemessenes Verhältnis zur Forschung zu bringen.«

Im Otto-Suhr-Institut (OSI) hängt jetzt ein riesiges Plakat, auf dem sämtliche DozentInnen des Institutes aufgeführt sind — mit ihren jeweiligen Belastungen durch das Grundstudium. Darauf ist ebenfalls zu lesen, wie ihre Lehrangebote von den StudentInnen bewertet werden. »Wir haben die Dozenten und Dozentinnen des Fachbereichs in drei Gruppen eingeteilt«, sagt Grottian. In der »Positiv-Gruppe«, sind diejenigen Lehrenden vertreten, »von denen ein Großteil der StudentInnen sagen konnte: Ja, da haben wir wirklich etwas gelernt.« Weitere Kriterien waren gut besuchte Veranstaltungen, viele korrigierte Arbeiten und Engagement bei der Beratung der Studierenden. Die »ambivalente Gruppe« umfaßt Lehrende, die zwar in ihrem Lehrangebot gefragt sind, jedoch bezüglich der »betreuenden und kommunikativen Dienstleistungen« schlechte Noten bekamen. »Wenn aber jemand schlecht bewertet wird, nicht gefragt ist, keine sechs Arbeiten im Semester nachsieht und im Beratungsbereich unsichtbar bleibt, dann kann etwas mit der Qualität dieses Dozenten nicht stimmen«, so Grottian. In dieser Gruppe befinden sich immerhin zwölf von 57 Lehrbeauftagten am OSI.

Die politische Richtung spiele dabei keine Rolle, genausowenig wie es Alter oder Erfahrung tun. »Auffällig« findet er, »daß HochschullehrerInnen sehr viel besser in den Bewertungen abschneiden.« Auch PrivatdozentInnen und Lehrbeauftragte schnitten durchschnittlich besser ab als ihre beamteten KollegInnen.

»Die Überbelastungsthese ist ein sorgsam gepflegtes Märchen von Hochschullehren«, sagte er. Das habe die Auswertung aller Scheine und Veranstaltungen der letzten fünf Jahre ergeben. Bei einigen Kollegen müsse bezüglich der Wahrnehmung ihrer Lehrverpflichtungen »geradezu von Dienstpflichtverletzung gesprochen werden.« DozentInnen, die offensichtlich kein Interesse an der Lehre zeigten, sollten aufgefordert werden, das offiziell für die Lehre veranschlagte Drittel ihres Gehaltes »einem Topf für spannende Veranstaltungen, Lehraufträge und Projekte zur Verfügung zu stellen«. Darüber hinaus schlug die studentische Hilfskraft Karin Lenhart studentische Bewertungsgruppen für jede Veranstaltung, Selbstüberprüfung aller DozentInnen sowie die Institutionalisierung von beratenden Gesprächen. »Die am besten bewerteten Lehrenden sollten außerdem Zuckerchen bekommen«, zusätzliche Tutoren- und Mittelzuweisungen oder aber ein Freisemester.

Der Präsident der FU, Johann Gerlach, hieß die Untersuchung »ausdrücklich gut« und geht davon aus, daß sie »eine hochschulpolitische Bewegung zu mehr Transparenz, Überprüfung und Verbesserung der Lehrverhältnisse in der FU insgesamt zur Folge« habe. cor