Abgeschoben in den Tod

■ In Malaysia wachsen die Ressentiments gegen indonesische WanderarbeiterInnen

Kuala Lumpur (ips) — 122 IndonesierInnen starben Ende Juni bei einem Schiffsunglück in der Straße von Malakka, der Meerenge zwischen Indonesien und Malaysia. Die Opfer: illegale WanderarbeiterInnen, abgeschoben von den Behörden in Kuala Lumpur. Der Vorfall beleuchtet ein Dilemma Malaysias: die heimische Wirtschaft braucht dringend Arbeitskräfte, doch in der Öffentlichkeit werden die Einwanderer immer unbeliebter. Nach dem Unglück legte die indonesische Regierung scharfen Protest ein und machte Malaysia dafür verantwortlich. Sie forderte offizielle Gespräche, um eine sichere Heimkehr der IndonesierInnen zu organisieren. Die zur Abschiebung eingesetzten Boote hätten keinerlei Rettungsausrüstung und seien völlig ungeeignet für den Transport von Passagieren, kritisierte ein Behördensprecher.

In Malaysia wird die Verantwortung dagegen den Indonesiern zugeschoben: Langwierige bürokratische Ausreiseprozeduren und hohe Gebühren verleiteten immer mehr Arbeitswillige dazu, auf eigene Faust in das reichere Nachbarland einzureisen, wo sie bis zu zehnmal höhere Löhne als zu Hause erwarten. Seit Beginn des Jahres schoben die Einwanderungsbehörden rund 4.000 illegale Gastarbeiter zurück. Dabei zeigt sich Kuala Lumpur offiziell entgegenkommend und besteht lediglich darauf, daß die indonesischen Arbeiter über legale Wege ins Land kommen. Tatsächlich wird die massive Einwanderung der Indonesier unterdessen zum innenpolitischen Problem. Schon seit Beginn der 70er Jahre strömen Hunderttausende Indonesier ins Nachbarland, wo sie vor allem in der Bauwirtschaft, in den Gummi- und Ölpalmenplantagen und in den Reisanbaugebieten willkommen sind. Bereits eine Million der sieben Millionen Beschäftigten in Malaysia sollen illegale indonesische Arbeiter sein, die vor der Arbeitslosigkeit im eigenen Land fliehen.

In Malaysia hingegen haben die Landflucht und der Wirtschaftsboom Arbeitskräfte knapp werden lassen, und die Beschäftigung illegaler Immigranten verspricht doppelten Gewinn: durch niedrige Löhne und die ersparten Sozialversicherungsbeiträge. So fordern Plantagenbetreiber, den Status der WanderarbeiterInnen zu legalisieren. Und Agro-Investoren aus Taiwan, Japan und der Europäischen Gemeinschaft drohen, ihre Aktivitäten in andere Länder zu verlegen, sollte das Problem nicht gelöst werden.

In der malaysischen Öffentlichkeit herrschen allerdings ganz andere Töne vor. Viele IndonesierInnen seien nichts anderes als Kriminelle, die in Malaysia vor der indonesischen Polizei Schutz suchen, heißt es mit Vorliebe in den malaysischen Medien.

Zu Beginn der 70er Jahre war die Stimmung noch positiv. In einem Land, in dem die malaischen Ureinwohner die aus China und dem indischen Subkontinent eingewanderten Bevölkerungsgruppen nur knapp überwogen, wurden die ersten indonesischen Einwanderer als ,Blutsverwandte‘ begrüßt. Zudem waren die meisten nicht nur ethnisch mit den Malaien verwandt, sondern genauso Muslime wie sie. Seit die fleißigen Indonesier aber den einheimischen Malaien einen Geschäftszweig nach dem anderen abnehmen, ist es mit der Warmherzigkeit vorbei. In Kuala Lumpur kontrollieren sie den Einzelhandel, die Obst- und Gemüseläden und sind auch als Hausmädchen oder Busfahrer beliebt. Die Neuankömmlinge entpuppten sich zuletzt außerdem meist als Christen oder Atheisten, was den Forderungen nach Maßnahmen gegen die indonesische Einwanderung Nachdruck verleiht.

Gegen die Kritik aus Jakarta verteidigt sich Malaysia unterdessen auf besondere Weise: mit politischen Gefälligkeitshandlungen wie zuletzt im Fall von 109 Indonesiern, die Mitte März politisches Asyl beantragten. Sie seien geflüchtet, um der Offensive der indonesischen Armee gegen muslimische Rebellen in der Provinz Aceh im Norden Sumatras zu entkommen, führten die Asylbewerber an. Dem habe man nicht leichtfertig Glauben geschenkt, rühmen sich die malaysischen Behörden, sondern kurzerhand in Jakarta nachgefragt. In Aceh gebe es keine militärischen Aktivitäten, hieß es dort — die Flüchtlinge wurden an Indonesien ausgeliefert.

Tatsächlich ging die indonesische Armee in den Wintermonaten hart gegen die islamische Rebellenbewegung ,Aceh Merdeka‘ (,Freiheit für Aceh‘) vor. Die Zivilbevölkerung geriet zwischen die Fronten. S.Sivam