Slawonien: Mit jedem Toten wächst der Haß

■ Serben und Kroaten schlagen wild aufeinander ein

Belgard (taz) — Während in Slowenien nicht mehr gekämpft wird, sind Schießereien in der Republik Kroatien an der Tagesordnung. So auch gestern wieder zwischen Serben und Kroaten im Landstrich Slawonien. Dort kommen serbische Freischärler und paramilitärische kroatische Verbände nicht zur Ruhe. Mindestens 30 Menschen sind hier im Schatten der slowenischen Ereignisse seit einer Woche dem Bürgerkrieg zum Opfer gefallen.

Zentrum der Unruhen war am Freitag wieder das Dorf Borovo Selo. Von hier aus leitet schon seit Monaten, so das offizielle Zagreb, die militante serbische Cetnik-Partei des Vojislav Seselj ihre Einsätze gegen die Souveränität Kroatiens. Im Mai gingen Bilder des „Massakers von Borovo Selo“ um die Welt, als in einer „Schlacht“ mindestens zwölf bis auf die Zähne bewaffnete Freiwillige auf beiden Seiten der nationalen Barrikade ihr Leben ließen. Blanker Haß auch heute noch zwischen den dort lebenden Serben und Kroaten. Die Serben bezeichnen die Zagreber Führung als „Ustascha-Faschisten“, die Kroaten die Serben als „Cetnik-Faschisten“. Aber gesprochen wird schon lange nicht mehr. Man schießt. So gab es in dem Dorf Tenja gestern die heftigsten Schußwechsel. Bis an die Vororte der Industriestadt Osijek, die fünf Kilometer davon entfernt liegt, verschanzen sich Freischärler beider Seiten. Und die vorläufige Bilanz spricht von drei Toten, in der Nacht zuvor sollen es fünf gewesen sein. Und mit jedem Toten wird der Ruf nach Rache und Vergeltung größer. Die Bundesarmee schaut dabei weg. Hat sie Angst, sich einzumischen oder steht sie auf der Seite der Serben? Man weiß es nicht, nur die Kämpfer beider Seiten wissen eine Antwort. Manche Kroaten sprechen es in dieser Gegend voller Fanatismus schon offen aus: Es müßten wirklich die Ustascha wieder her, um den „Serben den Garaus zu machen“. Das ist nicht nur serbische Propaganda, auch Zagreber Zeitungen schreiben darüber immer offener und verhehlen nicht, daß immer mehr kroatische Gastarbeiter aus Westeuropa hier um Borovo Selo ihr Betätigungsfeld sehen. Einst von den Kommunisten in die Emigration getrieben, wollen sie sich nachträglich rächen — auf seiten der „Cetniks“, da kommen selbst aus Belgrad keine versöhnlichen Töne. Im Gegenteil, jeder selbsternannte serbische Freiheitskämpfer findet in den Medien genug „Beweise“, den Kampf gegen Kroatien fortzusetzen. Roland Hofwiler