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Slowenien wartet auf das Ende des Ultimatums

■ Nach der Freilassung der gefangenen Soldaten und dem Abbau der Barrikaden richtet sich die Aufmerksamkeit Jugoslawiens auf Sonntag mittag: Bis 12 Uhr muß Slowenien die Grenzübergänge an die Bundesbehörden zurückgegeben haben

Berlin (taz) — In Slowenien waren Regierung und Bürgerwehr gestern damit beschäftigt, die Forderungen des an sie gestellten Ultimatums zu erfüllen. Über acht Stunden hatte das jugoslawische Staatspräsidium zu ihrer Ausarbeitung benötigt: Bis Freitag 0.00 Uhr seien alle gefangenen Soldaten der Bundesarmee freizulassen, die Barrikaden vor den Kasernen müßten abgebaut werden. Ganz so schnell war Ljubljana nicht. Zuerst einmal sah es Präsident Milan Kucan als geboten an, jedes Ultimatum zurückzuweisen. Denn ein solches müsse auch von Slowenien mit einem Ultimatum beantwortet werden, dies aber würde erneuten Krieg bedeuten. Dann jedoch wurde für die rund 2.000 Soldaten ein Zug bereitgestellt, der diese aus der unabhängigen Republik heraus über Zagreb nach Belgrad bringen soll, am späten Freitagvormittag wurde mit dem Abbau der Barrikaden — die noch in der Nacht verstärkt und von Angehörigen der Bürgerwehr bewacht worden waren — begonnen.

Während sich die Lage in Ljublaja somit zumindest teilweise „normalisierte“, wird in der ganzen Republik mit „Angst“ und „Spannung“ auf den Ablauf des zweiten Ultimatums gewartet: Dieses sieht vor, daß Slowenien bis Sonntag 12 Uhr die Kontrolle aller Grenzübergänge an die Bundesbebörden zurückgeben muß. Gerade um diese Übergänge hatte es in den letzten Tagen jedoch die heftigsten Auseinandersetzungen gegeben, eine Erfüllung dieser Forderung käme einer Aufgabe der Unabhängigkeit Sloweniens gleich. Mehrere slowenische Politiker haben dann auch die Forderung des Staatspräsidiums als „unmöglich“ bezeichnet. Ministerpräsident Lojze Peterle schloß einen erneuten Einsatz der Bundesarmee nicht aus.

Doch auch in Belgrad selbst scheint man neue militärische Auseinandersetzungen vermeiden zu wollen. Staatspräsident Stipe Mesic, von dem nicht klar ist, ob er den Forderungen zugestimmt hat, meinte: „Auch wenn Slowenien Sonntag mittag das Ultimatum verstreichen läßt, wird die Armee in den Kasernen bleiben, sie ist unter der politischen Kontrolle des Staatspräsidiums.“ Als Lösung für den Streit um die Grenzübergänge schlug Mesic vor, daß die Slowenen die Kontrolle an den Grenzämtern behalten, die Zollabgaben aber an den Bund abführen sollten. „So kann Slowenien seine Souveränität behalten“. Kompromißbereit zeigte sich auch das mazedonische Mitglied des Staatspräsidiums Vasil Tupurkovski, er reiste zur Vermittlung nach Ljubljana: „Wir müssen die militärische Option vergessen, die Forderung soll nicht mit Gewalt erzwungen werden.

Ein Meinungsumschwung hat unterdessen offenbar in Serbien und Montenegro eingesetzt. Die Politiker dieser Republiken scheinen erstmals bereit, die Abspaltung Sloweniens von Jugoslawien zu erlauben. Deutlich wurde jedoch auch, daß die serbischen Nationalisten um Republikspräsident Slobodan Milosevic „niemals“ die Unabhängigkeit Kroatiens akzeptieren werden. Da hier eine starke, elfprozentige serbische Minderheit lebt, vermuten kroatische Zeitungen: „Sie wollen Slowenien ziehen lassen, um mit uns ein leichteres Spiel zu haben.“ Und in der Tat fand Milosevic in der nördlichsten der Republiken bisher keinen Ansatzpunkt für seine Politik. Der Ministerpräsident des Serbien nahestehenden Montenegro, Milo Djukanovic, kündigte an, den Anordnungen des neuen Oberkommandierenden und Staatschefs Stipe Mesic nicht mehr Folge leisten zu wollen. Der Kroate könne nicht Präsident des montenegrischen Volkes sein. Gefordert wurde zudem der Rücktritt des jugoslawischen Ministerpräsidenten Markovic, da dieser die Armee mit seinen widersprüchlichen Befehlen bei ihrem Vormarsch „verraten“ habe. Markovivc hatte jede Verantwortung für den Einsatz der Bundesarmee zurückgewiesen.

Auch im Kosovo werden die Positionen der dort lebenden Albaner nun immer deutlicher. Ibrahim Rugova, Vorsitzender der stärksten kosovoalbanischen Partei kündigte an, daß das ehemals autonome Gebiet nur dann im jugoslwaischen Staatsverband bleiben werde, wenn sich der heutige Bundesstaat in einen lockeren Bund souveräner Einzelstaaten verwandle. her

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