Bundesrat baut Rechte schneller ab

■ Länderkammer demontiert Angeklagten-Rechte und läßt Verkehrsminister Krause asphaltieren

Berlin (taz) — Geht es nach dem Willen des Bundesrates, wird der Rechtsschutz in der Bundesrepublik erheblich eingeschränkt. Unter dem Stichwort „Entlastung der Gerichte“ verabschiedete die Länderkammer gestern einen Gesetzentwurf, der „alle Möglichkeiten zur Vereinfachung und Straffung der Gerichtsverfahren“ ausschöpfen soll. Der Entwurf, der nach Auffassung der Länderjustizminister dem Aufbau einer funktionsfähigen Justiz in den Neuländern dienen soll, wird bald im Bundestag eingebracht.

Kernpunkte des Entwurfes, der auf einen Antrag von zehn CDU- und SPD-regierten Ländern zurückgeht, ist die drastische Beschränkung der Rechtsmittel und der verstärkte Einsatz von Einzelrichtern statt Gerichtskammern. Die Pläne der Justizminister waren in letzter Zeit von nahezu allen Berufsorganisationen der Rechtsanwälte, Richter und Staatsanwälte als Abbau des Rechtsstaates kritisiert worden. Im Strafrecht ist beipielsweise vorgesehen, die Widerspruchsmöglichkeiten zu beschneiden. So soll in den kommenden fünf Jahren eine Berufung gegen eine Verurteilung zu einer Geldstrafe unter 31 Tagessätzen ebenso wie die bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt nur noch bedingt möglich sein. Auch die sogenannte Sprungrevision soll abgeschafft werden. Nach dem Gesetzentwurf können ferner Strafbefehle künftig auch bei einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr ergehen. Weiter ist vorgesehen, daß die Gerichte die Vernehmung von ausländischen Zeugen ablehnen dürfen, wenn dies nach ihrem Ermessen für die Beweiserhebung nicht erforderlich ist.

Die bayerische Justizministerin Berghofer-Weichner warnte davor, den Gesetzentwurf zu verwässern. Ihre niedersächsische Kollegin Alm- Merk lehnte den Entwurf ab, weil er Rechtsschutz verringere.

Krause vorn beim Beschleunigungsgesetz

Bei den Bundesratsabstimmungen über das Beschleunigungsgesetz setzte sich Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) weitgehend durch. Alle Länderanträge zur Modifizierung des Gesetzentwurfs wurden abgeschmettert. Auch von den Ausschußempfehlungen des Bundesrates berücksichtigten die Länder nur wenige. Krause sagte gleichzeitig ein Extra-Beschleunigungsgesetz für den Westen zu. Unter anderen sollen Schienenwege entgegen Krauses Entwurf bis 1999 (statt 1995) nach den erleichterten Planungsbedingungen durchgepeitscht werden können. Begründet hatte der Verkehrsausschuß die Änderung mit der Vermutung, die Bahn sei möglicherweise nicht in der Lage, all ihre Planungsvorhaben bis 1995 fertigzustellen. Auch die Umwidmung von Militärflughäfen in zivile Flughäfen soll in den neuen Bundesländern nach Vorstellung des Bundesrates erleichtert werden. Künftig soll eine Änderungsgenehmigung ohne Planfeststellungsverfahren für eine solche Umwidmung ausreichen. Eine Niederlage erlitt Krause einzig in der Frage der Umweltverträglichkeitsprüfung. Sie ist nach der Abstimmung des Bundesrates weiterhin in einem frühen Stadium der Straßenplanung notwendig. Nach dem Willen der Länder sollen also künftig Autobahnen, Schienen- und Schiffahrtswege erheblich schneller geplant werden können. Dabei wird der Bundesverkehrsminister eine ungewöhnliche Machtfülle erhalten. Die Kompetenzen der Länder werden deutlich zurückgestutzt. Die Regelungen werden vorläufig nur für die fünf neuen Bundesländer gelten, wo die Asphaltierungsorgie womöglich schon im Winter beginnen soll. Weiteren vehementen Widerstand kündigte das rot-grün regierte Hessen an. wg/ten