Aus dem Tal des Todes

■ Leichtathletik-Sportfeste in Oslo und Linz

Hamburg (dpa) — Sieben Weltjahresbestleistungen innerhalb von 24 Stunden in Oslo und Linz: Die Leichtathleten steckten sieben Wochen vor der WM Ende August in Tokio die Fronten ab. Dabei wurde das Bislett-Stadion in der norwegischen Hauptstadt erneut seinem Ruf als superschnelle Arena gerecht, auch wenn die Rekordversuche über 5.000 und 10.000 Meter sowie bei der direkt in die USA übertragenen „Traummeile“ scheiterten und damit der 50. Weltrekord in dem historischen Rund ausblieb.

Den Reigen der Weltjahresbestleistungen eröffnete vor 23.000 Zuschauern der Schweizer Werner Günthör mit 22,03 Meter im Kugelstoßen. Daß er im „nachanabolen Zeitalter“ eineinhalb Meter weiter stößt als die Konkurrenz, erklärt der 30jährige mit „Kraft, Schnelligkeit, Trainingsaufbau, Beweglichkeit und Bewegungsgefühl“. Die seit dem Rücktritt von Florence Griffith-Joyner ungeschlagene Merlene Ottey feierte ihren 50. Sieg in einem 100-m-Finale hintereinander und verbesserte ihre Saisonbestleistung auf 10,88.

Im Mittelpunkt standen die Mittel- und Langstrecken der Männer. Den ersten Weltrekordversuch unternahm der erst 19jährige Richard Chelimo aus Kenia über 5.000 Meter, doch er mußte der Hitze Tribut zollen: Mit 13:12,22 Minuten stellte Chelimo zwar seine dritte Saisonbestzeit innerhalb weniger Wochen und einen Juniorenweltrekord auf, verfehlte aber den vier Jahre alten Weltrekord des Marokkaners Said Aouita (12:58,38) deutlich. Ähnlich erging es dem zweimaligen Cross- Weltmeister Khalid Skah und dem Doppel-Europameister Salvatore Antibo über 10.000 Meter. Bei seinem eindrucksvollen Spurtsieg über den Italiener blieb der Marokkaner mit 27:23,29 Minuten um 15 Sekunden über dem Weltrekord von Arturo Barrios (Mexiko/27:08,23), der als Vierter (27:37,36) im Bislett-Stadion keine Chance hatte.

Bei den Saisonbestleistungen über 800 Meter durch den Amerikaner Johnny Gray (1:44,01 Minuten) und über die „Traummeile“ durch den Briten Peter Elliott (3:49,46) mischten auch die deutschen Athleten kräftig mit. Der 22jährige Joachim Dehmel (Feuerbach) sah seinen Mut in einem beherzten Rennen mit Rang drei und der deutschen Jahresbestzeit von 1:45,27 Minuten belohnt. 5.000-m-Europameister Jens-Peter Herold (Berlin) wurde in der DLV- Saisonbestzeit von 3:50,08 Minuten Fünfter.

„Es bewegt sich etwas in unserem Mittel- und Langstreckenlauf“, zeigte sich Bundestrainer Lothar Hirsch nach der „Woche der Wahrheit“ mit Europacup sowie den Sportfesten in Lille, Stockholm, Linz, Luzern und Oslo zufrieden. „Wir kommen allmählich aus dem Tal des Todes heraus und sehen etwas Horizont“, meinte Hirsch. Dehmel sei das beste Beispiel dafür, wie durch große Rennen Wettkampfhärte gewonnen werde. Die bewies auch Uta Pippig bei ihrem Sieg über 10.000 Meter in Oslo. Daß die Zeit nicht besser als 31:51,36 Minuten ausfiel, lag daran, daß sie sich bei einem Ausweichmanöver um eine gestürzte Konkurrentin eine Zerrung zuzog. Den zweiten deutschen Sieg feierte, getreu ihrer Voraussage nach dem Absturz beim Europacup („dies soll die einzige Niederlage der Saison bleiben“), Heike Henkel. Die Leverkusenerin Hochspringerin meisterte 1,97 Meter.

Am Freitag abend hatte der zweimalige Weltmeister Greg Foster in Linz mit 13,12 Sekunden das neue Maß dieses Jahres über 110 Meter Hürden gesetzt. Auch die zuletzt verunsicherte Katrin Krabbe imponierte. Die dreimalige Europameisterin aus Neubrandenburg entriß mit 22,21 Sekunden ihrer Klubkameradin Grit Breuer die DLV-Saisonbestzeit über 200 Meter.