Hanauer Atommüllchef fährt ein

■ Gericht verurteilte Peter Vygen, Exgeschäftsführer der Hanauer Atommüllspedition Transnuklear, zu zwei Jahren und drei Monaten/ Verbindungen zu Degussa und RWE nach wie vor im dunkeln

Berlin (dpa/taz) — Der spektakuläre Prozeß ging am Montag mit einem eher unspektakulären Urteil zu Ende: Peter Vygen, der 54jährige Atommüllmanager, wurde vom Landgericht Hanau zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt — nicht etwa wegen der umstrittenen Atommüllschiebereien, sondern wegen der Veruntreuung von Firmengeldern. Ein Strafmaß, das nach Ansicht der Atomkraftgegner vor den Toren des Gerichts und auch angesichts des Staubs, den der Atommüllskandal vor vier Jahren aufgewirbelt hatte, moderat ausfiel. Der Transnuklear-Skandal nur ein Sturm im Wasserglas?

Mitnichten. Auch wenn das Urteil manchen entttäuschte, spätestens in der Urteilsbegründung las der Kammervorsitzende Klaus Frech dem früheren Geschäftsführer der Atommüllspedition Transnuklear kräftig die Leviten — und vergaß dabei auch nicht die Politiker. Diese hätten die Gesetze nicht engmaschig genug gestrickt, so daß Verschieben von Atommüll bis heute straffrei sei. „Atommüllschiebereien mögen vielen nicht gefallen“, betonte der Kammervorsitzende. „Aber wer Gesetze für nicht ausreichend hält, der muß sich an den Gesetzgeber wenden.“

Dennoch ging auch für den Angeklagten, der das Urteil ohne sichtbare Regung anhörte, die Rechnung nicht auf. Vygen, der sich trotz der Veruntreuung von knapp drei Millionen Mark Firmengeldern Hoffnungen auf eine Bewährungsstrafe machte, muß seine Strafe nun absitzen. Der ehemalige TN-Chef konnte das Ruder auch mit seinem Teilgeständnis nicht mehr herumwerfen. Kurz vor Ende des 35 Tage dauernden Prozesses hatte Vygen zugegeben, über schwarze Kassen bei der Firma Transnuklear ebenso Bescheid gewußt zu haben wie über Schmiergeldzahlungen an Atomkraftwerk- Mitarbeiter. Außerdem belastete er den Geschäftsführer der TN-Mutter Nukem, Manfred Stephany, schwer.

Richter Frech machte keinen Hehl daraus, was er von Vygens angeblicher „später Reue“ hielt: „Das haben Sie nur aus prozeßtaktischen Gründen gemacht — als Reaktion auf die Haftstrafen der beiden anderen Angeklagten Knackstedt und Bretag“, betonte der Kammervorsitzende. Milde im Sinn einer Bewährungsstrafe wollte die Wirtschaftsstrafkammer auch aus anderen Gründen nicht walten lassen: Wer sieben Jahre lang, von 1979 bis 1987, an der Veruntreuung von Firmengeldern verantwortlich mitgewirkt habe, der besitze eine geradezu „überschießende Intensität kriminellen Willens“. Die dürfe nicht ungesühnt bleiben, sagte Frech — schon um andere „Weiße- Kragen-Täter“ abzuschrecken.

Was dem Gericht bei der Vernehmung von fast 40 Zeugen deutlich wurde: Ging es Anfang der 80er Jahre nur um wenige tausend Mark, die über einen Strohmann „gewaschen“ wurden, so wuchs die Begehrlichkeit der Atomkraftmitarbeiter Mitte der 80er Jahre dermaßen an, daß Transnuklear zum professionellen Abzweigen von Firmengeldern eine Scheinfirma gründete.

Die Rolle des früheren Nukem- Geschäftsführers Stephany, der nach dem Vygen-Teilgeständnis in Belgien zwar festgenommen, mangels dringenden Tatverdachts aber wieder freigelassen wurde, blieb diesmal in Hanau weitgehend ungeklärt.

Allerdings hat die Staatsanwaltschaft die Hoffnung nicht aufgegeben, mehr Licht in die Hintergründe des Skandals zu bringen. Vygen soll bereit sein, weiteres Material gegen den Ex-Nukem Chef zur Verfügung zu stellen. Damit ständen die beiden damaligen Nukem-Eigner RWE und Degussa doch noch im Rampenlicht. Ihre Vorstände, allen voran RWE- Chef Franz Josef Spalthoff, wurden nicht nur nach Ansicht von Eduard Bernhard vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz von der Nukem ständig auf dem laufenden gehalten. Der Skandal sei noch nicht zu Ende, so Bernhard.

Daß auch Richter Klaus Frech nicht so ganz an die Unschuld und Unwissenheit des einstigen Nukem- Bosses Stephany glauben mag, macht eine Richter-Äußerung deutlich: Stephany sei es schließlich gewesen, der Vygen 1978 zur wirtschaftlich maroden Transnuklear versetzt hatte, um ihr „durch ungewöhnliche Akquisitionsmaßnahmen zum Erfolg zu verhelfen“. ten