Das Cafe Ici in der Auguststraße in Mitte

»Ici« ist französisch, womit sicher nichts Neues gesagt wird. Das Café Ici hat allerdings mit Frankreich nicht viel zu schaffen; das soll kein Vorwurf sein. Die Auguststraße, in der sich das Ici befindet, gehört zu jenem alten Stadtviertel, das sich entgegen allem gesunden Menschenverstand heute immer noch Scheunenviertel nennt. Viel übrig ist ja nicht mehr. Die Häuser des Scheunenviertels (so sie noch existieren) erkennt man an ihren klassizistischen Fassaden, an der geringen Anzahl der Stockwerke und der Verwinkelung der sie umgebenden Straßen, die mitunter durchaus Nähe zur Gasse aufweisen. Das Scheunenviertel war vor dem das Viertel der Prostituierten, der Zuhälter und der Einwanderer. Natürlich auch das der Juden. Hier gedieh das Nachtmilieu und hier arbeitete die Hefe der Stadt. Die schütteren Reste des Scheunenviertels versuchen aus dieser Legende heraus, erneut ein funktionierendes Kiezklima zu erschaffen.

Neben anderem gehören dazu auch die nicht unsymphatischen Trottoirrestaurants in der Großen Hamburger und um die Sophienkirche herum; darunter das Ici, wenn es auch nicht einfach zu finden ist. Auffällig ist allein die große Glasscheibe.

Wohl kaum ein Geschäftsraum hat so lange leergestanden wie dieser. Der Sozialismus duldete lediglich hier kurz nach dem Weltkrieg eine »Konsum«-Verkaufsstelle, dann wurden die Rolläden heruntergelassen, und dies auf eine so absolute Weise, daß man sich mit Recht wundern darf, wie es der Chefin des Hauses gelungen sein mag, sie wieder emporzuzwingen.

Die Atmosphäre darf im Ici durchaus und ohne falschen Zungenschlag »intim« genannt werden. Der Gastraum überschreitet nur mäßig die Größe eines Wohnzimmers, der Tresen erinnert mehr an eine Anrichte aus der verflossenen »guten Stube«, und das Ambiente trägt der unausgesprochenen Familiarität mit dem großen runden Holztisch Rechnung.

Ici könnte einer der letzten Orte sein, wo man in (Ost-)Berlin noch ungestört und unbesehen seine Zeitung lesen kann. Ich würde dies durchaus als Plus empfinden. Handloik (Foto: Susanne Schleyer)