Massenflüchtlings-Haltung ohne Tageslicht

■ Wachmann schmeißt Handtuch: „Bunker kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren“

Rolf Neumann (60) ist Rentner und arbeitet nebenbei bei einer privaten Firma als Wachmann. Das sind zwölf-Stunden-Schichten, in denen Firmen und Baustellen vor Pennern und anderen Eindringlingen bewahrt werden sollen. Am Donnerstag, den 26. Juni, bekam der Wachmann Rolf Neumann eine Aufgabe, die er nach wenigen Tagen entschlossen hinschmiß. Neumann gestern zur taz: „Ich bin nicht so abgebrüht

wie ein Politiker. Das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.“

Rolf Neumann sollte im Bunker Friedrich-Karl-Straße in Zwölf-Stunden-Schichten nach dem Rechten sehen. Als einziger Diensttuender verantwortlich sein für 115 „Bunkerinsassen“, Flüchtlinge u.a. aus Rumänien, Jugoslawien, Angola und Gamiba. Ohne Fremdsprachenkenntnisse, ohne Dolmetscher,

ohne Waschmaschine, anfangs auch ohne Reinigungsdienst — und das in einer Luft, die so stickig und abgestanden und dabei noch so mit Essensgerüchen angereichert ist, daß sie Brechreiz verursacht. In Räumen, in denen nichts ist außer dicken, fensterlosen Wänden, orangenen Schalensitzen und Hängepritschen. Räume, in denen auch 20 Kinder leben müssen.

Der diensthabende Wachmann soll zwölf Stunden lang die schwere, stählerne Eingangstüre im Auge haben, das Essen gerecht verteilen, Konflikte schlichten, Duschschlüssel verwalten. Die Anordnung, bei der Neumann empört ausgestiegen ist: „Man hat von mir verlangt, daß ich den Bunker auch tagsüber unter Verschluß halten. Aber ich wollte das nicht verantworten, aus dem Bunker ein Ghetto zu machen.“ Neumann bitter: „Mit 115 Leuten im Bunker ist das unverantwortlich. Der Senat geht hin und läßt das Bewachungsinstitut mit dem ganzen Kram hängen. Wenn die die Leute aufnehmen, muß er sie auch betreuen.“

Vom Senat habe sich trotz vieler Telefonate keiner bei ihm blicken lassen, nur Hucky Heck vom Ortsamt sei vorbeigekommen — „von sich aus“, wie Neumann betont. Zwar habe die Sozialbehörde Hucky Heck schließlich zugesagt, daß Honorarkräfte von der Johanniter-Unfallhilfe ab Montag die Wachmänner unterstützen sollten, doch von den BetreuerInnen hat sich bislang keiner im Bunker blicken lassen.

Außer dem Bunker Friedrich- Karl-Str. nimmt ein weiterer in der Zwingli-Str. Flüchtlinge auf. Einzige Alternative der Sozialbehörde sind Zelte, über deren Aufstellung mit dem Bausenator gegenwärtig verhandelt wird. Thomas Pörschke vom des Arbeiter- Samariter-Bund: kritisiert Zelte als „Scheinalternative“: „Die Kirchengemeinden sind gefordert, Räume bereitzustellen.“

Der Renter Rolf Neumann will weiterhin in seiner Freizeit seine überforderten Wachmann-Kollegen im Bunker besuchen. Neumann gestern: „Weil mich das interessiert, wie das weiter geht. Das muß an die Öffentlichkeit gezerrt werden.“ B.D.