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Das schwarze Imperium schlägt zurück

Unionstreue Journalisten aus Bayern und Schleswig-Holstein besetzten Schlüsselpositionen im Ostdeutschen Rundfunk/ Barschels Erben nisten sich in Sachsen ein  ■ Von Ute Thon

Parteienfilz im Funkhaus — in den alten Bundesländern ist das längst kein Thema mehr. Jeder weiß, daß Personalpolitik in den öffentlich- rechtlichen Anstalten nach parteipolitischen Proporzgedanken betrieben wird. Ob Intendantensessel oder Redakteursstuhl, Rundfunkrat oder Verwaltungskontolleur, das Parteibuch spielt bei der Besetzung immer eine Rolle. Jedoch, und auch das ist kein Geheimnis, im konkurrierenden Spiel der Kräfte trat auf dem TV- Bildschirm immer wieder so etwas wie nivellierende Gerechtigkeit auf. Dem rechtslastigen Report aus Bayern stand Franz Alts Pendant aus Baden-Baden gegenüber, Klaus Bednarz' kämpferischer Monitor wurde vom CDU-freundlichen Studio1- Boß Bodo Hauser von rechts gedämpft. Spektakuläre Angriffe auf die Pressefreiheit, wie seinerzeit das BR-Ausklinken bei der ARD-Scheibenwischer-Satire, Heinz Klaus Mertes' Nachrichtenfälschung zugunsten des Strauß-Sohnes oder SFB-Intendant Lojewskis Verbot eines Mühlfenzl-kritischen Kommentars sind selten. Wenn trotzdem viele TV-Berichte nach Hofberichterstattung riechen, liegt das wohl eher am vorauseilenden Gehorsam der Journalisten als an der tatsächlich praktizierten parteipolitischen Kontrolle.

„Das schlimmste haben Sie hinter sich“, ermunterte darum der „emeritierte“ Nachrichtenstar Hanns Joachim Friedichs die TeilnehmerInnen der Diskussionsveranstaltung zum Thema „Freie Medien und Parteieneinfluß“. Für die früher unter SED-Aufsicht praktizierenden Ost- Journalisten mag das wohl zutreffen, doch gesamtdeutsch könnte sich die Rundfunkentwicklung in den neuen Bundesländern als gewaltiger Rückstoß in düsterste Adenauer-Zeiten erweisen. Spätestens mit der Ernennung Udo Reiters zum „Gründungsintendanten“ des Mitteldeutschen Rundfunks ist nämlich in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen klar, wohin die medienpolitische Reise geht. Während in Brandenburg und Mecklenburg die Länderparlamente noch nach den richtigen Bündnispartner suchen, bastelte die liberal- konservativer Regierungsmehrheit in den mitteldeutschen Ländern ein Rundfunkgesetz, das dem Parteieneinfluß in den Funkhäusern Tür und Tor öffnete. Der parteilose CSU-Freund Reiter machte schon 1986 von sich reden. Als jüngster Hörfunkdirektor der ARD kam der damals 42jährige zum Bayerischen Rundfunk. In seiner ersten Amtsperiode sorgte das Mitglied der CSU- Medienkommision dort durch eine umstrittene Hörfunkreform für „massenattraktive Unterhaltungsprogramme“. Sein jüngstes Steckenpferd war „B5 aktuell“, der erste deutsche Nachrichtenkanal im Hörfunk, den er letztes Jahr im BR installierte. Seine Wahl als MDR-Intendant galt Insidern schon lange als sicher, denn in dem provisorischen „Rundfunkbeirat“, der seine Ernennung bestätigen mußte, sitzen getreu den politischen Mehrheitsverhältnissen, vier Vertreter der CDU und zwei der FDP nur drei SPD-Getreuen gegenüber.

Neben Reiter spuken noch einige andere illustre Namen in dem Personalkarussell der christdemokratischen Rundfunkerneuerer. Anfang des Monats schickte der Rundfunkbeauftragte Rudolf Mühlfenzl, dessen Umgang mit kritischen Journalisten seit der Kündigung des couragierten Berliner Hörfunkchefs Hildebrand hinlänglich bekannt ist, Volkram Gebel als „Gründungsbeauftragten“ des Mitteldeutschen Rundfunks ins sächsische Land. Der 48jährige Jurist war einst Uwe Barschels Medienreferent. Noch rechtzeitig vor der Affäre in der Kieler Staatskanzlei wechselte er als Direktor in die schleswig-holsteinische Landesmedienanstalt. Im Frühjahr dann holte Mühlfenzl den ehemaligen Barschel-Diener in seinen Beraterstab nach Berlin. Diensteifrig erstellte er in seiner neuen Funktion eine vertrauliche Liste : „Personalvorschläge von Dr. Gebel“. „Ossis“ sind für die Leitungsfunktionen in den zukünftigen Funkhäusern in Leipzig, Dresden und Halle nicht vorgesehen. Als „Leiter der Intendanz“ in Leipzig, dem Hauptsitz des MDR, hat Gebel Gerhard Friedl vom BR ausgeguckt. Für den Posten des MDR-Fernsehdirektors kommen der Liste zufolge der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Peter Voß, sein ZDF-Kollege Bodo Hauser oder auch Dr. Gebel selbst in Frage. Auch der BR-Rechtsaußen Wolf Feller war offensichtlich im Gespräch, will aber nach Angaben seines Intendanten Albert Scharf nicht nach Leipzig wechseln.

Dafür könnte vielleicht bald CSU- Mann Claus Erich Boetzkes zum mitteldeutschen Hörfunkchef avancieren. Als Unterhaltungschef im BR- Radio hat sich der MDR- Wunschkandidat vor allem mit der Absetzung satirischer Beiträge und Politsongs einen Namen gemacht.

Wenn Gebels Personalwünsche in Erfüllung gehen, könnte sich der neu zu gründende Rundfunk im Herzen Deutschland unversehens zum schwarzen Biotop abgehalfterter Parteibuchdiener werden. So macht sich auch Gerd Behnke, der ehemalige Regierungssprecher Barschels, jetzt Hoffnung auf den Direktorenposten im Magdeburger Funkhaus. Sein journalistisches Verständnis tat er vor vier Jahren kund, als er den in Sachen Barschel-Affäre verhängten Maulkorb als „Hilfestellung für die unter der Informationsflut zusammenbrechenden Journalisten“ erläuterte.

Und noch einen Barschel-Freund zieht es offensichtlich ins sächsische Medienmekka. Henning Röhl, der im August ausscheidende ARD-Aktuell-Chef, spekuliert auf den Direktorenposten im Dresdener Funkhaus.

Soviel unverholene Parteienkunkelei ruft nicht nur die benachteiligte Opposition auf den Plan. Während die SPD-Landtagsfraktionen von Thüringen, Sachsen und Sachsen- Anhalt Rundfunkabwickler Mühlfenzl eine „Bajuwarisierung des MDR“ vorwerfen, spricht der Deutsche Journalistenverband (beileibe kein Hort revolutionärer Medienerneuerer) von einer gezielten „Machtergreifung der Landesregierungen in Hörfunk und Fernsehen“. Wer sich angesichts des drohenden Wellenfilzes im sächsischen Äther nur heimlich ins Fäustchen lacht und denkt, daß die „doofen Ossis“ es wegen ihres CDU-freundlichen Wählerverhaltens eben nicht besser verdient haben, der könnte schnell eines besseren belehrt werden.

In den nächsten Jahren nämlich schlägt das schwarze Imperium gnadenlos zurück. Der Mitteldeutsche Rundfunk wird innerhalb des ARD- Verbunds ganz oben stehen. Als eine der größten Anstalten dürfen die CDU-getreuen Ostfernsehmacher dann auch eine gehörige Portion des ARD-Programms beisteuern. Da heißt es Augen und Ohren auf, wenn Udo Reiter am 19. August seine endgültige Personalliste für den MDR vorlegt. Denn Wiedersehen macht nicht immer Freude.

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