Sturzflug in der Quarterpipe

Die „Internationalen Deutschen Meisterschaften“ im BMX-Freestyle wurden schwer von der Hitze beeinträchtigt/ Viele zogen den Baggersee dem „Ground“ und der „Quarterpipe“ vor  ■ Aus Freiburg Ulrich Fuchs

„Wo ist Markus Volz? Markus Volz wird aus der Wertung gestrichen und hat sich den Deutschen Meistertitel selbst versiebt.“ In der Freiburger Eissporthalle erinnern die Verhältnisse eher an Sauna, der Stadionsprecher ist merklich genervt. Nachdem er den Rest der Konkurrenten endlich von der Bahn gescheucht hat, fehlt jetzt der angekündigte Starter.

„Viele der Jungs sind bei dem Wetter doch lieber am Baggersee“, erklärt Thomas Grundheber die etwas chaotischen Verhältnisse am ersten Tag der „Internationalen Deutschen Meisterschaften“ im BMX- Freestyle. Grundheber ist der erste Vorsitzende der „Deutschen Fahrrad-Freestyle Organisation“ (DFO), die erst im Juni dieses Jahres gegründet wurde.

Als vorrangige Aufgabe haben es sich die Verbandsgründer zum Ziel gesetzt, das Image der BMX-Radler aufzupolieren. Weg vom Freizeitspaß für Kids und hin zur ernstzunehmenden Sportart, heißt dabei die Devise.

Dafür aber — so schien es zumindest am Wochenende — müssen auch die Funktionäre erst noch einmal kräftig in die Pedale treten. Denn zumindest das organisierte BMX-Radeln steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. Schuld haben für Wolfgang Fritscher die Eltern mit ihrer kritischen Haltung gegenüber den Rädchen, die auf den ersten Blick wirken wie eine Reminiszenz an den kurzen, aber heftigen Klapprad- Boom der siebziger Jahre. „So kleine Räder, das paßt nicht zu großen Jungs“ — mit diesem elterlichen Veto wäre der Spaß für die Kids oft schon vorbei, bevor er noch begonnen hat.

Dabei kann Fritscher eigentlich nicht klagen. Immerhin gehört er zu den wenigen, die in der bundesdeutschen Szene vom BMX-Sport leben können. Nicht, weil er ein besonderes BMX-As ist. Fritscher hat Anfang der Achtziger, als die Ausläufer der BMX-Welle in den USA Europa erreichten, die Gunst der Stunde genutzt.

Vom Rad über Ersatzteile bis hin zu T-Shirts und Shorts, die zum standesgemäßen Outfit jedes BMXers gehören, verkauft der Bremer seit 1983 alles, was mit diesem Sport zu tun hat.

Kein größeres Treffen der Szene, bei dem Fritscher nicht mit seiner „rollenden Filiale“ dabei ist. Die Zahl der aktiven Sportler schätzt Fritscher auf etwa 700. Echte BMX- Profis, die sich ihr Geld vedienen, indem sie für Shows angeheuert werden, gibt es hierzulande „höchstens zwei oder drei“. Denn trotz ihrer teilweise spektakulären akrobatischen Fähigkeiten sind für die Skater auf dem Spezialrad amerikanische Verhältnisse nur ein Traum. Während dort etwa der Joghurt-Hersteller Danone alljährlich eine riesige Tournee inszeniert und die besten BMXer für sich werben läßt, mußten die Teilnehmer in Freiburg erst einmal ihr Startgeld entrichten, bevor sie loslegen durften. Trotzdem verzichteten die meisten auf das eigentlich auch am zweiten Tag fällige Hitzefrei, um in den Finalläufen bei Bundesjugendspiele-Atmosphäre und weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit ihre Künste den fachkundigen Konkurrenten darbieten zu können.

Neben dem „Ground“, bei dem, dem Kunstradfahren vergleichbar, möglichst akrobatische Figuren mit und vor allem immer auf dem Rad ausgeführt werden müssen, fuhren die „Experts“ und „Masters“ die Quarterpipe. Und weil der bis dahin tapfer ausharrende Sanitäter dann wahrscheinlich doch lieber zum Wimbledon-Finale wollte, mußte schließlich der eigentlich zum Abschluß geplante Höhepunkt des Treffens vorgezogen werden: die „champ session“.

Zwanzig Minuten lang zeigten dabei die vier Starter der „Masters- Klasse“ an der Quarterpipe, was so ein Spitzen-BMXer alles drauf hat. Und spätestens hier drängte sich dann auch der Verdacht auf, daß Eltern weniger die Unproportionalität von Rad und Körper kritisch stimmt, als vielmehr die Angst um Leib und Leben der Kids. Wie Skater schießen die BMXer die Holzrampe hoch und über ihren Rand hinaus, drehen im freien Flug das Rad um die eigene Achse, um dann wieder auf beiden Rädern und in umgekehrter Fahrtrichtung auf der Rampe zu landen.

Die 540-Grad-Drehung des Duisburgers Eddy Maczuga beeindruckte die Jury am meisten. Er wurde Deutscher Meister. Und vielleicht sehen wir Eddy ja bald wieder: „Eddy, du gehst raus und machst den 540er — Müller Milch, Müller Milch.“