„Alle rennen heute Le Pen hinterher“

Frankreichs Premierministerin Edith Cresson will illegale Einwanderer mit Sonderflügen abschieben  ■ Aus Paris Bettina Kaps

Die Rechte applaudiert, die Linke windet sich unter den Worten der französischen Ministerpräsidentin: Die Sozialistin Edith Cresson hat angekündigt, daß sie illegale Einwanderer mit Hilfe von Sonderflügen aus Frankreich ausweisen will.

„Wenn man entschieden hat, daß eine bestimmte Zahl von Ausländern in ungeregelter Situation in ihr Land zurückgebracht werden sollen, dann muß das total geschehen“, sagte die Regierungschefin am Montag abend im Fernsehen. „Mich interessieren nur die Taten: Wenn zehn Personen ausgewiesen werden sollen, dann werden nun nicht mehr dreieinhalb ausgewiesen, sondern zehn.“ Sie habe Innenminister Marchand aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu treffen.

Kein Wunder, daß vor allem die neogaullistische RPR laut Beifall klatscht — schließlich will Cresson eine Methode der Rechten übernehmen und hat damit eine politische Wende um 180 Grad angekündigt. Vor fünf Jahren hatte der damalige RPR-Innenminister Charles Pasqua 101 Malier in einer gecharterten Maschine nach Bamako ausfliegen lassen. Die sozialistische Opposition hatte damals heftig protestiert.

Erschrocken macht der polemische Ton, mit dem das Einwanderungsproblem inzwischen von allen Parteien behandelt wird. Auf die Feststellung, sie greife nun also auch zu „Charterflügen“, entgegnete Cresson: „Charter, das sind billige Flüge mit denen die Leute in Ferien fahren. In diesem Fall wird der Flug jedoch gratis sein und nicht in die Ferien führen...“ Nach Ansicht der Zeitung 'Libération‘ nähert sie sich damit den rassistischen Aussagen eines Jacques Chirac über den „Geruch“ der Einwanderer.

Die Anti-Rassismus-Organisationen zeigten sich schockiert, daß nun selbst eine sozialistische Regierungschefin mit spektakulären Reden Aufmerksamkeit erheischt, anstatt das Problem an der Wurzel anzupacken.

„Alle rennen heute Le Pen hinterher“, kritisierte der Vorsitzende von France-Plus, Arezki Dahmani. Schuld an der illegalen Einwanderung seien in erster Linie Anwerber und moderne „Sklaventreiber“, die die Immigranten schamlos ausbeuten. Harlem Désir von SOS-Racisme forderte ebenfalls eine Reform des Arbeitsrechts und die Verfolgung der Arbeitgeber. „Jeder weiß, daß Charterflüge im Kampf gegen die illegalen Einwanderer wirkungslos sind. 80 Prozent kommen mit Charterflügen wieder zurück.“

Die Zahl der illegalen Ausländer in Frankreich ist unterdessen völlig ungewiß. Das Integrationsbüro schätzte für 1990 etwa „300.000 bis eine Million“. Ihre hundertprozentige Ausweisung per Flugzeug wird Edith Cresson teuer kommen.

Siehe Kommentar auf Seite 10