Treuhandanstalt gibt nicht nach

■ Die Privatisierungsaufgabe läßt weder Zeit noch Geld für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

„Wir sind auf dem Weg zu einer Lösung“, erklärten am Montag abend nach zehnstündiger Sitzung die verschwitzten Gesprächsteilnehmer, Vertreter der neuen Länder, der Arbeitgeber und Gewerkschaften sowie der Treuhandanstalt. Im Klartext heißt das: Treuhandchefin Breuel ist hart geblieben und bislang nicht bereit, dem politischen Druck nach einer Beteiligung ihrer Anstalt an Beschäftigungsgesellschaften nachzugeben. Voraussichtlich heute will sich die Runde, an der Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe, der Präsident der Arbeitgeberverbände, Himmelreich, DGB-Chef Meyer und Horst Klaus von der IG Metall teilnehmen, erneut zusammensetzen.

In der vergangenen Woche hatte sich die Treuhand in einer ähnlichen, aber nicht ganz so hochkarätig besetzten Runde auf einen Kompromiß eingelassen, der dann aber von der IG Metall anders als von den verhandelnden Gewerkschaftsvertretern nicht akzeptiert worden war. Nach dem Kompromißpapier will sich die Treuhand mit höchstens 10 Prozent an landesweiten Dachgesellschaften für Arbeitsförderungsgesellschaften beteiligen. Wirklich engagieren will sich die Treuhand auf diesem Gebiet jedoch nicht: Neben der Privatisierung, Sanierung oder Liquidierung von Betrieben will sie nicht auch noch Zeit und Geld in Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik stecken.

Schon jetzt wird der Treuhand, deren gesetzliche Aufgabe die Privatisierung der DDR-Wirtschaft ist, vorgeworfen, sich außerhalb jeglicher demokratischer Kontrolle beständig aufzublähen und dadurch kaum handlungsfähig zu sein. Von den 37 Milliarden DM, die die Treuhand 1991 ausgeben wird, sind 9 für Sanierungen und 6 für Sozialpläne vorgesehen. In diesem Jahr wird sich ihr Defizit auf knapp 21 Milliarden belaufen; in den folgenden beiden Jahren könnte sich nach Schätzungen ein Schuldenberg von 90 Milliarden DM auftürmen: Bei Firmenübertragungen — von Verkäufen gegen Geld kann kaum mehr gesprochen werden — bleiben die Risiken (etwa teure Altlastsanierung) in der Regel bei der Anstalt. Diese Schulden müssen letztlich von den SteuerzahlerInnen beglichen werden.

Mit den noch vorhandenen rund 6.000 Treuhand-Betrieben hat die Anstalt soviel Arbeit, daß sie kaum Interesse daran haben kann, sich noch weitere Betriebe wie die zuschußbedürftigen Arbeitsförderungsgesellschaften aufzuhalsen. Auch Mitte des Jahres 1991 hat nicht einmal die Hälfte der Treuhand-Betriebe eine DM-Eröffnungsbilanz vorgelegt, geschweige denn ein Unternehmenskonzept erarbeitet. Der Anstalt fehlen also nach wie vor die wichtigsten Basisinformationen. Auch bei der Gründung neuer Beschäftigungsgesellschaften müßte die Treuhand-Gesellschaft, sollte sich die IG Metall heute durchsetzen, genau hinsehen, wie sinnvoll der neue ABM-Betrieb im Einzelfall wäre. Macht es Sinn, wie in Bitterfeld/Wolfen, 1.600 Menschen die Gebäude fast in Handarbeit abtragen zu lassen, wenn ein Abbruchunternehmen diese Arbeiten in einem Drittel der Zeit und mit weniger Kosten erledigen könnte? Bei der Prüfung hätte die Treuhand die undankbare Aufgabe, betriebswirtschaftlich nachzurechen — und damit wäre Birgit Breuel erneut die Buhfrau der Nation. Donata Riedel