Wahlkampf ohne Grenzen

■ Diesmal kein Begrenzungsabkommen zur Bürgerschaftswahl / CDU wollte unbedingt Fernsehspots

Ein Lächeln - reif fürs Dritte Programm Foto: Jörg Oberheide

In diesem Bürgerschaftswahlkampf dürfen die Parteien soviel Reklame machen, wie sie wollen. Gestern sind die Verhandlungen über ein Wahlkampfbegrenzungsabkommen der vier Bürgerschaftsparteien endgültig geplatzt. Der Grund: Die CDU wollte auf keinen Fall darauf verzichten, ihren Sparkassen-Kandidaten Ulrich Nölle als Werbespot in Radio und Fernsehen zu präsentieren.

Schon im Januar hatte die SPD in einem Brief an CDU, FDP und Grüne die Erneuerung des Abkommens von 1987 vorgeschla

gen. Damals war ein Verzicht auf Radio- und Fernsehspots vereinbart und die Zahl der Stellschilder auf 600 pro Partei begrenzt worden. Doch zu einem Treffen der vier Parteien war es diesmal nach mehreren geplatzten Terminen erst am 20. Juni gekommen — zu spät für weitere Verhandlungen. „Ein bloßes Diktat, sprich die kritiklose Übernahme des Abkommens von vor vier Jahren, kam für uns nicht in Frage“, stellte CDU- Wahlkampfleiter Günter Niederbremer nach dem Ablauf einer vereinbarten Bedenkzeit am Dienstag fest und erklärte das Ab

kommen damit für gescheitert.

Schon kurz nach der mit 23,4 Prozent katastrophal verlorenen Bürgerschaftswahl von 1987 hatte der CDU-Landesvorsitzende Bernd Neumann den Selbstverzicht auf Fernsehwerbung als „schweren Fehler“ erkannt. „Angesichts der hemmungslosen Senatswerbung und dem Einspannen öffentlicher Unternehmen, z.B. BSAG-Anzeigenserie, wäre es unverantwortlich, jetzt wieder darauf zu verzichten“, rechtfertigt Günter Niederbremer jetzt den CDU-Widerstand gegen die Wahlkampfbegrenzung.

Ulrich Nölle wird allerdings höchstwahrscheinlich der einzige Bremer Politiker sein, der im September in 2,5-Minuten-Spots über den Bildschirm des Vorabendprogramms von N3 flimmert. Die SPD will trotz des CDU-Vorstoßes auf Radio- und Fernsehwahlwerbung verzichten. „Das ist uns zu teuer“, begründet Wahlkampfkommissions-Mitglied Uwe Kramer die Entscheidung. Auch FDP und Grüne können bei Wahletats von rund 200.000 bzw. 170.000 Mark nicht mithalten. In der Diskussion ist jedoch noch ein grüner Vorschlag, die Fernseh-Werbezeit für eine gemeinsame Erklärung von SPD, FDP und Grünen zu nutzen, warum sie auf Werbung verzichten. Zu sehen wäre auf der Mattscheibe dann nur ein Standbild.

Auch bei den Stellschildern wollen sich FDP und Grüne freiwillig an die Obergrenze der letzten Wahl halten. Die CDU will etwas mehr, die SPD mit 1.200 Tafeln allerdings doppelt so viele Wahlplakate wie 1987 an die Straßen stellen. Die CDU will als einzige Partei auch auf den Großflächen der Städtereklame werben. Den von ihr selbst genannten Wahletat von 400.000 Mark hält SPD-Wahlkämpfer Kramer denn auch für „getürkt“. Er muß es wissen. Schließlich rechnet die SPD auch ohne Radio- und Fernsehspots, Großflächen und Großveranstaltung in der Stadthalle mit rund 800.000 Mark Kosten.

Die Bereitschaft, bei Wahlwerbung auch mal beide Augen zuzudrücken, beweist eine große Parteien-Koalition schon seit Wochen. Obwohl das Bremer Ortsgesetz Wahlwerbung ausdrücklich nur für die letzten acht Wochen vor der Wahl erlaubt, also ab 3. August, sind Bremens Straßen längst mit „Schöne Ferien“ (CDU), „Bremens Umwelt“ (SPD) oder „Nödeldödel“ (Grüne) verziert. „Die SPD hat damit angefangen“, begründet zum Beispiel CDU-Wahlkämpfer Helmut Pflugradt die kollektive Gesetzesübertretung, „und was die darf, das Recht nehmen wir uns auch heraus“.

Dirk Asendorpf