■ GASTKOMMENTAR
: Das Waffenexportkartell

Die fünf größten Waffenexporteure der Welt haben diese Woche Gespräche begonnen, um im Geheimen über die Kontrolle des internationalen Waffenhandels zu verhandeln. Nach dem Golfkrieg steht ein kräftiger Rüstungsschub besonders in der Dritten Welt an. Allein die USA haben Transfers im Werte von 25 Milliarden Dollar angekündigt (bei einem jährlichen Weltmarktvolumen von knapp 50 Milliarden Dollar, davon etwa drei Viertel Lieferungen an Entwicklungsländer).

Man könnte meinen, mit den Vorstößen von Bush und Mitterrand zur Kontrolle der Rüstungstransfers zieht nach dem Schock des jüngsten Krieges Vernunft bei den wichtigsten Akteuren ein. Doch eine solche Hoffnung geht in die Irre. Vor mehr als einem Jahrzehnt hatten die beiden größten Waffenlieferanten, die Sowjetunion und die USA schon einmal einen Anlauf genommen, die Exzesse des Wettrüstens bei ihrer Klientel in der Dritten Welt einzudämmen. Die alte Tagesordnung scheint heute erneut durch: Es ging um Kontrolle im Sinne von kooperativer Steuerung. An ein Verbot war und ist nicht gedacht. Auch das angestrebte Verhandlungsergebnis ist das gleiche geblieben: ein Verhaltenskodex, bei dem offen bleibt, wie er überwacht wird.

Sünder im Weltrüstungsgeschäft sind nicht nur die Großen. Bundesaußenminister Genscher hatte auf der ersten Sondergeneralversammlung der UN für Abrüstung 1978 vorgeschlagen, das alte Waffentransferregister des Völkerbundes aus der Zwischenkriegszeit neu aufzulegen. Um die „Notifizierung“ größerer Abschlüsse im Waffengeschäft geht es auch bei den Pariser Gesprächen. Genschers Vorschlag versank unbeachtet, schon weil die Bundesregierung damals gar nicht daran dachte, auch nur die deutschen Exportzahlen in New York vorzulegen. Zweites Beispiel CSFR: Die neue demokratische Regierung hatte zu Beginn des vergangenen Jahres vollmundig den Verzicht auf Waffenexporte bekanntgegeben. Inzwischen hat Präsident Havel aufgrund der katastrophalen Wirtschaftssituation der weiteren Ausfuhr tschechischer Waffen zustimmen müssen.

Regelungsbedarf besteht, wie nur inoffiziell eingeräumt wird, vor allem in Bezug auf die Nachfolge der Sowjetunion als Waffenexporteur. In der Krise der Perestroika kann sich die UdSSR die Kreditierung von Waffengeschäften im amerikanischen Maßstab einfach nicht mehr leisten. Insider gehen davon aus, daß Amerikaner und Europäer sich den Marktanteil der Sowjets jeweils zur Hälfte zuschlagen werden.

Das amerikanische Konzept ist im Lichte von Bushs „Neuer Weltordnung“ zu begreifen. Mit dem Abtritt der UdSSR als zweiter Supermacht fallen besonders den USA weitere Ordnungsaufgaben zu. Herrschaft etabliert sich immer offenkundiger: Die Lieferanten sollen sich den US-Plänen zufolge abstimmen, was wer an Rüstung bekommt. Das angestrebte Waffenexportkartell soll sogar den „legitimen Rüstungsbedarf“ von Entwicklungsländern taxieren. Davon, daß Afrikaner, Asiaten oder Lateinamerikaner ihrerseits über den Rüstungswahn des Nordens befinden, ist verständlicherweise keine Rede. Ulrich Albrecht

Der Autor ist Rüstungsforscher und Professor am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin