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Gäste im eigenen Land

■ Die Menschenrechtsorganisation „Al Haq“ in der Westbank protestiert

Na'el Muhammad Salim 'Oda ist bei Nablus in der Westbank geboren und aufgewachsen, aber in seine Heimat darf er nur als Tourist. 1978 ging er zum Studium in die USA, mit Reiseerlaubnis, wie es die israelischen Besatzungsbehörden vorschreiben. Als er in seine Heimat zurückkehren wollte, erfuhr er von der israelischen Botschaft, daß er lediglich eine Besuchsgenehmigung erhalten könne, er habe Fristen zur Verlängerung der Reiseerlaubnis versäumt. Daß er in Nablus verheiratet ist und einen Sohn hat, spiele keine Rolle. Seither kann er die Familie nur noch für begrenzte Zeit mit Touristenvisum besuchen.

Dies ist kein Einzelfall. Nach Angaben der palästinensischen Menschenrechtsorganisation „Law in the Service of Men“ in Ramallah, arabisch kurz „Al-Haq“ genannt, sind Zehntausende palästinensischer Familien getrennt. Darauf will die Organisation mit einer Anfang Juni begonnenen Kampagne „Stop Separating Palestinian Families“ aufmerksam machen.

Die Trennung der palästinensischen Familien ist vor allem eine Folge des Sechs-Tage-Krieges 1967, der eine Massenflucht von mehreren hunderttausend PalästinenserInnen aus der Westbank und dem Gazastreifen auslöste. Nach dem Krieg versuchten sie zurückzukehren — in der Regel vergeblich. Manche versuchten es unmittelbar nach dem Ende der Kämpfe heimlich und unter Einsatz ihres Lebens: durch nächtliches Überqueren der israelisch-jordanischen Waffenstillstandslinie, des Jordan. Andere betrieben ihre Rückkehr später mit erlaubten Mitteln. Sie stellten bei den isralischen Behörden Anträge auf Rückkehr in die besetzten Gebiete und auf „Familienzusammenführung“. Laut israelischer Statistiken wurde etwa 50.000 Anträgen entsprochen. Al- Haq hingegen gibt an, daß von 1967 bis 1989 von 88.200 Anträgen auf Familienzusammenführung lediglich 12.695 genehmigt worden seien.

Gleich nach der Besetzung von Westbank, Gaza-Streifen und Golan-Höhen führte Israel eine Volkszählung durch. Wer erfaßt wurde, erhielt eine „identity card“ und war damit aus der Sicht der Militärbehörden „legaler“ Bewohner der Gebiete. Wer nicht erfaßt wurde, hatte kein „Aufenthaltsrecht“. Al Haq macht geltend, daß sich Israel damit eines schweren Verstoßes gegen die Genfer Konvention schuldig macht. Für eine Petition, die im Rahmen der Kampagne der UNO übergeben wurde, hat Al-Haq 1.640 Familien befragt, deren Anträge auf Zusammenführung seit Jahren immer wieder abgelehnt werden.

Durch Reiserestriktionen werden die Folgen der Familientrennungen weiter verschärft. Zum Beispiel im Fall der Familie Hussein Djouda, die durch den Sechstagekrieg getrennt wurde: drei junge Mädchen im Alter von 12, 14 und 15 Jahren leben jetzt allein in einem jordanischen Flüchtlingslager. Die übrigen Verwandten leben in einem Flüchtlingslager im Gaza-Streifen. Betreut werden die Kinder von einer Tante, die dazu vom Gazastreifen regelmäßig nach Jordanien reisen muß. Für jede dieser Fahrten braucht sie eine Genehmigung der israelischen Behörden, jeder Antrag kostet eine „Bearbeitungsgebühr“. Wenn Sa'diyya Hussein Djouda viermal im Jahr nach Jordanien fährt, um nach den Kindern zu sehen, kommen neben den Reisekosten rund 700 Dollar Bearbeitungsgebühren auf sie zu. Die Anträge der Familie, den Kindern die Einreise in den Gazastreifen zu genehmigen, wurden von den israelischen Militärbehörden abgelehnt.

Al-Haq wertet dieses Vorgehen der israelischen Behörden als kaum verhüllten Versuch, die Zahl der Palästinenser in den besetzten Gebieten so weit wie möglich zu senken. Uta Klein/N.C.

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