Südafrikas olympische Medaillenträume

Nach der Wiederaufnahme in das Internationale Olympische Komitee hofft die Regierung in Pretoria auf Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen/ ANC klagt Rassenintegration der Sportverbände ein  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Sportler und Geschäftsleute, Politiker und das Publikum haben gestern jubiliert, nachdem Südafrika am Dienstag nach 31jährigem Ausschluß wieder in das Internationale Olympische Komitee (IOK) aufgenommen wurde. „Die Entscheidung des IOK ist ein Beweis für die internationale Anerkennung der Bemühungen und Fortschritte der südafrikanischen Regierung auf dem Weg zu einer demokratischen Gesellschaft,“ sagte Louis Pienaar, der für Sport zuständige Erziehungsminister. Und die Johannesburger Industrie- und Handelskammer kommentierte, daß Südafrika nun auch als wichtiger internationaler Geschäftspartner anerkannt werden müsse. Der Afrikanische Nationalkongress (ANC) wollte die Rückkehr Südafrikas in die olympische Gemeinschaft weder verurteilen noch begrüßen.

„Das wichtigste Ziel ist die vollkommene Rassenintegration des Sports in Südafrika,“ sagte ANC- Sprecher Carl Niehaus. „Die Wiederaufnahme in das IOK sollte das nicht verdecken.“ Der ANC begrüße die Tatsache, daß verschiedene Sportarten die Integrierung schon erreicht hätten. Doch dürften olympische Disziplinen, die diesen Schritt noch nicht vollzogen hätten, die Mitgliedschaft des IOK nicht als Vorwand anführen, um ihre Integrierung zu verzögern.

Ein Sportverband, der „Südafrikanische Sportrat“ (Sacos), verurteilte die Entscheidung des IOK. Sacos fordert, daß die Sportisolierung Südafrikas bis zur vollkommenen Abschaffung der Apartheid und der Einführung einer demokratischen Verfassung aufrechterhalten bleibt. Sacos-Präsident Joe Ebrahim nannte die IOK-Entscheidung „unrechtmäßig“, da sie gegen die IOK-Verfassung verstoße. Er kündigte an, daß Sacos versuchen werde, Südafrikas Aufnahme vor Gericht rückgängig zu machen. Ebrahim warnte auch, daß Besuche internationaler Sportler zu Demonstrationen und Gewalt führen könnten.

Keba Mbaye, IOK-Vizepräsident und senegalesischer Richter, der Verhandlungen mit südafrikanischen Sportverwaltern geleitet hatte, nannte die Sacos-Proteste unbedeutend. Das IOK forderte das südafrikanische Olympische Komitee stattdessen am Dienstag auf, die Integrierung des Sports zu beschleunigen. Dazu gehören die Öffnung aller Sporteinrichtungen für alle Rassen und Bemühungen, den Rückstand schwarzer Sportler aufzuholen.

Es wird erwartet, daß die IOK- Entscheidung auch zur Aufnahme Südfafrikas in internationale Sportverbände in nichtolympischen Disziplinen führt. Der Internationale Kricket-Rat beriet gestern in London über die Wiederaufnahme Südafrikas, das vor seinem Ausschluß zu den besten Kricket-Ländern der Welt gezählt hatte. Eine Wiederaufnahme Südafrikas war mit der Unterstützung des ANC fast sicher.

Eine Reihe südafrikanischer Sportler wollen schon nächstes Jahr in Barcelona wieder bei olympischen Spielen dabeisein, auch wenn ihre Aussichten auf Erfolg gering sind. Möglich ist auch, daß Südafrikaner noch in diesem Jahr an den Leichtathletik—Weltmeisterschaften in Tokio teilnehmen werden. Vor allem südafrikanische Mittel- und Langstreckenläufer hoffen, bei olympischen Spielen Medaillen gewinnen zu können. Die Wiederaufnahme Südafrikas in die internationale olympische Gemeinschaft ist für die südafrikanische Regierung von großer politischer Bedeutung. In diesem vom Sport besessenen Land wird die Aufweichung des Sportboykotts allgemein als Belohnung und Erfolg der Reformpolitik der Regierung interpretiert. Der ANC hätte andererseits eigentlich eine Aufrechterhaltung des Boykotts unterstützt. Letzte Woche beschloß die ANC-Konferenz eine Lockerung von Sanktionen in drei Stufen. Als ersten Schritt war die Aufhebung von Sport- und Kulturboykotten vorgesehen, aber erst nach der Beseitigung von Hindernissen auf dem Weg zu substantiellen Verhandlungen. Diese Bedingung ist noch nicht erfüllt. „Wir hätten es vorgezogen, wenn man sich an unseren Plan gehalten hätte,“ sagte Niehaus dazu. „Aber wir müssen akzeptieren, daß die Realität sich nicht immer an Stufenpläne hält.“