Warum heißen Fitneß-Studios „Partizan“?

Nach dem Ende der Kämpfe in Slowenien wird in Ljubljana über die Zukunft nachgedacht/ Informationsminister Kacin rechnet die Kosten des Krieges vor und weist die Nachricht, daß Slowenien Waffen aus dem Libanon erhalten hat, zurück  ■ Aus Ljubljana Hilde Platen

Dunkelrote Himbeeren, Heidelbeeren, frische Pfifferlinge, Kamille und Kräuter aus den Bergen — ein langer Gang auf dem Markt von Ljubljana, am Südufer der Ljubljanica. Die BäuerInnen aus dem Umland haben einen fast flehenden Klang in der Stimme, wenn sie ihre Waren anpreisen. Nur wenige kaufen. Auch die Preise für Gemüse sind hoch und das Geld sitzt nicht so locker in diesen Tagen. Einige Schritte weiter, unterhalb der Kuppeln der Domkirche, wird ebenfalls mit leiser Stimme zum Geschäft gebeten. Unauffällige Männer laufen hin und her, lassen dicke Pakete vor allem alter Dinare von einer Hand in die andere gleiten und flüstern einschmeichelnd: „Dollar? Dollar?“ Der Schwarztausch ist allerdings eher eine Sache für Kenner. Wer kann schon so schnell und von Hand zu Hand errechnen, daß die riesigen, alten Dinarscheine mit dem Aufdruck „100.000“ nach Abzug von vier Nullen gerade zehn neue Dinar wert sind, den ungefähren Preis für eine Tasse Kaffee.

In der Eisdiele gegenüber kellnert Igor. Er serviert neben dem üppigen Sahnegebilde auch gleich seine Lebensgeschichte. Er ist kurz vor dem Krieg aus der jugoslawischen Armee entlassen worden und heilfroh darüber. Slowenien, sagt er, könne gut überleben ohne die anderen Bundesländer. Er spricht, wie viele Slowenen, mehrere Sprachen und verweist auf den Aufschwung, den das Land „trotz der anderen“ in den letzten Jahren genommen habe. Das wolle sich hier niemand zerstören lassen. Den Krieg sieht er, wie die meisten in Ljubljana, schon in weiter Ferne. Es reicht gerade noch für ein bedauerndes Achselzucken, wenn er sich an „die armen Kroaten“ erinnert.

In der Tat ist in Slowenien in den letzten Jahren viel Neues gebaut worden. Egon fährt im Überlandbus von Ragona in die Hauptstadt, um seine Schwester zu besuchen. Für die Berge, den Wein, die Täler und Schluchten auf der Strecke hat er keinen Blick. Er zeigt auf die Neubauten, die modernen Busstationen, die Geschäfte und die streckenweise neu asphaltierten Straßen. Das alles, sagt er stolz, hätten sie sich im Ausland erarbeitet. Er war fast 20 Jahre fort, in Österreich, in der Schweiz, in Deutschland, hat dann hier gebaut. „Davon“, sagt er, „ist Geld ins Land gekommen und die Regierung konnte die Straßen erneuern.“ Ein Rätsel beantwortet er nicht: Warum heißen die Fitneß-Studios in Slowenalle „Partizan“?

Die wirtschaftliche Zukunft ist allen Slowenen wichtig. Im Pressezentrum der Regierung hängt am Mittwoch morgen ein Witz aus: Ein Militär und ein Bärtiger, offensichtlich Serbe, sitzen im Wirtshaus, auf dem Tisch vor sich die Trümmer von Häusern. Der Kellner fragt: „Und nun? Der Pub ist geschlossen, und wer zahlt jetzt die Rechnung?“ Auch die Ljubljaner Tageszeitung 'Delo‘ machte sich gestern Gedanken ums Geld. Sie stellt doppeldeutig fest, daß einer der Streitpunkte im Abkommen von Brioni für Slowenien durchaus verhandelbar sei. Es sei keine Niederlage für Slowenien, wenn seine Zolleinnahmen an die Bundesbehörden gingen, wenn dies über einen Sonderfonds erfolge, der eine größere „Einsichtnahme“ als bisher ermögliche.

Um die Kosten des Krieges ging es in der Pressekonferenz von Informationsminister Kacin am Abend zuvor. Er hatte Gornja Ragona besucht und von dort ebenfalls eine Rechnung des Schadens mitgebracht: ein Toter und 78 zerstörte Wohnungen. Mitgebracht hatte er auch zwei martialisch aussehende Soldaten, die mit ihren Gewehren, die grünen Baretts schräg auf dem Ohr, an der Saaltür Posten bezogen. Die habe er nur mal eben zu Besuch hereingelassen, wehrt sich Kacin launig, als ein Reporter den Auftritt rügt. Überhaupt macht sich Kacin an diesem Tag im Vorfeld der Parlamentsdebatte zusehends unbeliebt. Die internationale Presse ist es leid, hingehalten zu werden. „Erwarten Sie nun einen Angriff oder erwarten sie keinen? Seit Tagen erzählen Sie hier dasselbe!“ wird er von einem Kanadier angefahren. Kacin nimmt das gelassen und dreht den Spieß um: „Fragen Sie das mal die Generale in Belgrad!“ Die Slowenen hätten den Krieg nicht angefangen, nicht gewollt und nicht zu verantworten. Gestern morgen reagierte das Rote Kreuz auf die Berichte, daß die Volksarmee ihr Symbol benutze, um gegen das Abkommen von Brioni Offiziere und Waffen in ihre slowenischen Kasernen einzufliegen. Es protestierte scharf dagegen. Die Frage, ob Kroatien und Slowenien in letzter Zeit „acht Schiffe voller Waffen aus dem Libanon“ erhalten habe, wiesen sowohl Kacin als auch Innenminister Igor Bavcar als Propaganda der Gegenseite zurück.