: Kostenlose (Kunst-)Behandlung
■ Maria Eichhorn in der Galerie Wewerka & Weiss
Die Galerie Wewerka & Weiss hat derzeit eine Ausstellung der Berliner Installationskünstlerin Maria Eichhorn zu Gast. Nach dem Eintreten in den ersten Galerieraum schweift der Blick irritiert durch den klinisch weißen, hell beleuchteten Raum: dort stehen nur mehrere blaue Plastikstühle ordentlich in einer Reihe. Diese rufen die Assoziation eines Arztwartezimmer hervor, beantworten aber nicht befriedigend die Frage nach der Kunst. Die Luft ist merkwürdig flimmernd und schmeckt leicht salzig. Der Blick fällt schließlich auf die linke Wand, fast an der Decke strömt dort aus einer Belüftungsklappe stetig ein weißlicher Dampf. Tritt man in den angrenzenden Raum, lüftet sich das Geheimnis. Eine Inhalationsanlage der Firma Carl Heyer für Medizintechnologie produziert den feinen Nebel. Drei Zerstäuberdüsen saugen eine Salzsole an, und den durch Rotation entstandenen Nebel leitet ein Schlauch in den Nachbarraum. An der rechten Längsseite des Zimmers kleben in Augenhöhe auf der weißen Wand in weißen Buchstaben die Worte: »Meer. Salz. Wasser. Klima. Kammer. Nebel. Wolken. Luft. Staub. Atem. Küste. Brandung. Rauch.«
Auf einer kleinen Kommode stehen einige Flaschen Mineralwasser nebst Gläsern, die (Kunst)Kur zur Behandlung von Atemwegserkrankungen kann beginnen. Ein Begleitblatt liefert Informationen und Bilder zum Großstadtklima, zur Salzwasserinhalation, zu Aerosolzerstäubern und zur Luftverschmutzung und versucht so, der Installation einen naturwissenschaftlich-medizinischen Überbau zu geben. Für weitergehend Interessierte sind Literaturangaben, wie z.B. ein »Handbuch der Bäder- und Klimaheilkunde« oder eine »Fibel der Inhalationsbehandlung mit Aerosolen« aufgelistet.
Die 1962 in Bamberg geborene Künstlerin studierte 1990 bei Hödicke an der HdK, zeigt Objekte und Rauminszenierungen aber schon seit 1987 auch in Einzelausstellungen. Gemeinsam mit Martin Figura, Knut Bayer, Ulrich Kühn und Bong-Kyon IM gründete sie die Ateliergemeinschaft Atelier III, die in ihren Ausstellungen eine kritische Haltung gegenüber den herkömmlichen Verfahren der Kunstproduktion einnahm und auch das Verhältnis zwischen Produzent und Rezipient zum Thema machte. Ihre der Minimal- und der Konzept-Art zuzurechnenden Werke geben weder eine Darstellung der eigenen Befindlichkeiten, noch beharren sie auf einer spezifischen Individuation. Maria Eichhorn gelang bisher als Einziger der Sprung in den internationalen Kunstmarkt: Auf der Ausstellung Metropolis ist z.B. neben den Werken bekanntler Künstler wie Baselitz, Richter, Nauman und Schnabel ihre Wandmalerei »Wand ohne Bild« zu sehen. Im Katalog abgebildet sind ferner zwei weitere Arbeiten: »Löwe im leeren Raum«, ein ausgestopfter Löwe, und»4 Polyesterrevolver, 2 Wasserspritzrevolver«, wo sie die farbigen Polyesterrevolver exakt in der Form der industriell gefertigten Wasserpistolen nachgegossen hat.
Die bei Metropolis sich abzeichnende Tendenz in der gegenwärtigen Kunst, hin zu einer Reduktion des Kunstwerks auf ein Konsumprodukt, ist auch an den Arbeiten Eichhorns ablesbar. Maria Eichhorn setzt in ihrer neuesten Installation (»Mit freundlicher Unterstützung der Firma Carl Heyer GmbH, Bad Ems...«) nicht auf eine aufstörende Wirkung von Kunst, die eingefahrene Denkweisen in Frage stellen kann. Stattdessen wird der Schmutz der Straße aus diesem weißen Kunstraum säuberlich herausgehalten. Indem Eichhorn einer aggressiven Außenwelt einen Rückzugsraum kontrastiert, verfällt sie der gleichen Struktur, die sie kritisieren will: Wenn alles Menschliche und Chaotische ausgegrenzt wird, bleibt nur ein gestyltes Ambiente. Es gibt keine Geheimniss dahinter zu entdecken, auch die Wandtexte geben nur die naheliegendsten Assoziationen wieder.
Joseph Beuys, der 1984 in der Ausstellung Skulptur im 20. Jahrhundert im Merianpark Basel gleichfalls über ein Rohr Dampf, allerdings in einen Kellerraum führte, arbeitete dort mit dem Eigenwert der verwendeten Materialien und benutzte die Spannungen und Gegensätze, mit denen sie aufgeladen waren. Im Vergleich dazu hat Maria Eichhorns Installation wenig Schärfe, eher wirkt sie »aseptisch« und didaktisch. Bettina Schültke
bis 27.7.; Pariser Str. 63, 1-5, Di-Fr 15-18.30, Sa 11-14 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen