Peter der Miesemacher

■ Weniger BesucherInnen als erwartet gehen zu Peters d.Gr. Schätzen ins Überseemuseum / Bis zu welcher Höhe ist ein Defizit eine „sinnvolle Investition“?

Im ersten Monat der Ausstellung „Schätze aus dem Kreml — Peter der Große in Westeuropa“, die seit dem 1.Juni läuft, kamen 49.000 BesucherInnen ins Überseemuseum, das sind etwa 1.600 pro Tag. Zum Vergleich: die Ausstellung „Das Gold aus dem Kreml“ hatten im selben Zeitraum schon 70.000 Menschen gesehen.

Von den zu erwartenden Defiziten bei der Schlußabrechnung läßt sich Projektleiter Jochen Stührmann aber nicht schrecken. „Der Deckungsbetrag aus Eintrittsgeldern ist nicht der entscheidende, und von einer Kostendeckung bin ich nie ausgegangen“, erklärte er gestern der Presse und legte die erste Zahlenbilanz und die Ergebnisse einer BesucherInnen- Umfrage vor.

Eine Bewertung der Ergebnisse ließ er sich nicht abringen. „Kostenneutral“ hätte er die Ausstellung gern. Was das heißt, hinge wiederum davon ab, „wie man diesen Begriff definiert“. Das Defizit sei — wie bei der vorigen Kreml-Ausstellung „eine sinnvolle Investition, die sich nicht genau in Mark und Pfennig rechnen läßt. Fragen Sie den Hotel- und Gaststättenverband!“

Wie in vielen Dingen kommt es auch bei dem Millionending Peter der Große ganz auf die Sichtweise an. Stührmann: „Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es natürlich schlecht, wenn wir mit Unterdeckung abschließen. Für die Politiker sieht das wohl anders aus. Ich nehme an, daß in Wahlkampfzeiten auch höhere Defizite gesundgeredet werden können.“

Trotzdem denkt man über Gründe für die zurückhaltende Begeisterung nach. Vielleicht liegt die Thematik zu nah an der Kreml-Gold-Ausstellung? Ganz im Gegenteil! Die Kreml-Gold-Ausstellung habe eine „Türöffner-Funktion“ für das Nachfolgeprojekt gehabt, findet Stührmann. Außerdem sei für die enorme Zahl von 300.000 BesucherInnen im Jahr 1989 die gerade ausgebrochene Gorbi-Mania und überhaupt die Aura des Goldes verantwortlich gewesen, das sogar Weingummi-Bärchen attraktiver mache. Deshalb sei die Gold-Ausstellung mit dem Nachfolgeprojekt „Peter der Große“ gar nicht zu vergleichen. Und wenn man „jetzt die Besucherströme ansieht, sind die 1,1 Millionen Defizit der Gold-Ausstellung im Jahr 1989 de facto eine gute Investition.“ Alles klar?

Schließlich räumte Stührmann ein, daß man zwar von vornherein mit weniger BesucherInnen gerechnet habe, aber statt der 49.000 im ersten Monat hätten es eigentlich 55.000 sein sollen.

Die Sponsorengelder flossen reichlicher als beim Kreml-Gold. Erfreulich? Nun ja, aber wie viel das letzten Endes ausmacht, darüber gibt es noch keine endgültigen Zahlen, denn die Gegenleistungen des Museums müssen ja schließlich auch berechnet werden, beispielsweise der an alle Haushalte verteilte Kurier des Zaren, in dem die Sponsoren kostenlos und ganzseitig inserieren konnten. Der habe ja auch eine Menge Geld gekostet.Die Sponsoren erhalten außerdem kostenlose Abendveranstaltungen mit Häppchen und Führungen durch die Ausstellung. Und die Kulturbehörde mit ihrer kurzfristigen Planung ist schuld, sagt Stührmann, daß nicht noch mehr Sponsoren gefunden werden konnten.

Die Umfrage unter den AusstellungsbesucherInnen brachte ans Licht, daß nur 28 Prozent der Befragten aus Bremen und dem näheren Umland kamen. 40,8 Prozent sind aus den norddeutschen Ländern angereist, 28,4 Prozent aus den anderen alten Bundesländern. Stührmann: „Die Bremer sind erfahrungsgemäß zurückhaltender.“ Und die aufwendige Werbung in den Urlaubsorten zeitige jetzt Erfolg: Nach dem ersten Sonnenbrand freuten sich die UrlauberInnen, einen Ausflug ins Dunkel des Museums zu unternehmen.

Mehr als 80 Prozent der Befragten beurteilten die Ausstellung positiv. Nur knapp vier Prozent gaben schlechte Noten. Die Chance, sich von den BesucherInnen Anregungen für's nächste Mal zu holen, haben die MuseumsmacherInnen versäumt. Danach hat der Fragebogen nicht gefragt. bear