: Das Auge als Aschenbecher
■ »Death Trap« von Tobe Hooper im »Checkpoint«
Das Hobby, so lehrt die Erfahrung, gibt oft wertvolle Hinweise auf den wahren Charakter eines Mitmenschen, auf seine Vorzüge und Macken. Sportarten, Sammelvorlieben und Haustiere deuten dem Neugierigen relativ zuverlässig und schnell einen Weg in die Tiefen der Seele von Fremden oder Personen, die man nur flüchtig kennt. Death Trap baut auf dieses Wissen und wendet es auf eine typische 70er-Jahre-Weise an. Wie ein hermeneutisches Raster legt sich dabei intensive Drogenerfahrung im ländlichen Ambiente als permanenter Rotfilter über die Geschichte von Judd, dem Hotelier, der sich ein Krokodil und ein Äffchen als Haustiere hält. Das Äffchen liegt schon angefault oder tot im Stall, wenn der Film beginnt. Für das Krokodil aber ist kein Leckerbissen zu schade.
Judd (Neville Brand) erfüllt dem Aussehen nach fast alle Klischees eines guten Horrorfilmdarstellers. Zu schnell gealtert, Bart und eher unauffällige Gesichtszüge. Außerdem trägt er ein Holzbein, weil das Krokodil die Extremität früher mal abgebissen hat. Vor der unaufgeräumten Veranda des Horror-Hotels (so ein anderer Verleihtitel von Death Trap) befindet sich, abgegrenzt nur durch einen fragilen Maschendraht, das Krokodilsgehege. Obwohl das Etablissement alles andere als einladend aussieht, checken nacheinander verschiedene Gäste bei Judd ein. Als erstes eine blond-dauergewellte, mittelständische Ausreißerin, die sich als Prostituierte versuchte, aber den Anforderungen des Berufes nicht gewachsen war. Judd ermordet sie ohne jede Umschweife: Mit einer dreizackigen Hacke ritzt er sie im Gesicht beginnend auf und wirft sie seinem Haustier zum Fraße vor. Dann kommt eine Vater-Mutter- Kind-Hund-Familie. Snoopy verschwindet als erster im großen Maul, woraufhin die Tochter vergeblich von der hysterisch-tablettensüchtigen Mutter getröstet wird. Genervt von dieser Szene erinnert der Ehemann seine Frau an den unschönen Vorfall, wie sie in einer ähnlichen Gemütsverfassung sein Auge mit dem Aschenbecher verwechselt hatte. Daß die Mutter unter Schock steht, erkennt man an einer sehr schönen, wahr wirkenden Geste — sie kontrolliert, kurz vor dem Kollaps stehend, ihre Fingernägel. Wenig später schlägt Judd mit einer Sense auf den Vater ein, bis dieser rücklings durch das Geländer fällt und vom nimmersatten Haustier gefaßt wird.
Er ist nicht der letzte, der in Dath Trap auf diese Weise umkommt. Das Voraussehbare, geradezu Serielle der Mordszenen und das nur minimal ausgereizte Gruseln zwischen Bedrohung und Tod der einzelnen Akteure lenkt des Zuschauers Aufmerksamkeit auf die komischen Aspekte des Horrorfilms. Tobe Hooper, Regisseur des Kultfilms Texas-Chainsaw-Massacre, überzeichnet in diesem Film sämtliche Figuren; auch das permanent rot gefilterte Licht wirkt irgendwie ironisch, genauso der Nebel im unnaturalistischen dekorierten Studio und die primitive Hydraulik, mit der das Monster sein Maul bewegt. Die Satire hält sich dabei eng genug an die Regeln des kenntnisreich karikierten Genres, um nicht langweilig zu werden. Am besten funktioniert der Witz jedoch, wo er den Film im besonderen und nicht das Genre im allgemeinen meint. Zum Beispiel läßt Hooper fast alle männlichen Schauspieler das linke Bein nachziehen, wie als ob die Prothese des Protagonisten eine ansteckende Krankheit sei. Oder wenn im sorgfältig komponierten Soundtrack die Schreie der Gefesselten und Gequälten Judd einfach nur beim relaxten Country& Western-Plattenhören belästigen.
Bemerkenswert ist auch, wie Tobe Hooper mit dem Tabu umgeht, daß Kinder im Film nicht sterben dürfen. Dem Töchterchen gelingt es, als Daddy schon tot und Mummy geknebelt oben im Bett liegt, sich mit Kleinkindschläue in den Verschlag unter der Veranda zu retten. Dort findet, durch Intervalle lustvoll verlängert, auch der Zweikampf zwischen einer Hundehalterin und einem Krokodilsbesitzer statt. Und auf dieser Ebene wird deutlich, wie raffiniert Hooper den Psychopathen unter den Tierfreunden zum klammheimlichen Sympathieträger macht: In gewisser Hinsicht war mit Snoopy nämlich schon ein Teil des Kindes gestorben. Dieses Erlebnis aber hatte in der Kleinen einen zähen Lebenswillen entfesselt, wie ihn in anderen Horrorfilmen immer nur die Monster haben, nachdem sie, längst in Einzelteile zerstückelt, immer noch gegen die Guten ankämpfen...
Für Horrorfilm-Freunde ist Dath Trap, der selten in der ungekürzten Version zu sehen ist, etwas Ausgefallenes zum Amüsieren. Dem Genre indifferent Gegenüberstehende könnten die Komik des Films unter Umständen für etwas insidermäßig halten, um darüber zu lachen. Dorothee Wenner
Dath Trap , USA 1976, OF, vom 14. bis 16. Juli um 22.30 Uhr im »Checkpoint«, Leipziger Str. 55.
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