VWs härtester Konkurrent wird zum Vertragshändler

VW und Toyota unterzeichnen ein gemeinsames Abkommen in Tokio  ■ Aus Tokio Georg Blume

Wenn VW-Chef Carl Hahn die japanische Konkurrenz auf dem EG-Binnenmarkt 1992 betrachtet, empfindet er „sehr viel Anlaß zum Nachdenken“. Wenn er dagegen an den Verkauf seiner Autos in Japan denkt, fällt ihm offenbar nicht mehr als der Name Toyota ein. Ausgerechnet Nippons größter Automobilkonzern soll nun die Golfs und Audis den japanischen KundInnen andrehen. So sieht es ein Kooperationsvertrag vor, der gestern von Toyota-Chef Shoichiro Toyoda und VW-Vorstand Hans-Jörg Hungerland in Tokio bekanntgegeben wurde.

Demnach werden Toyota-Händler in ganz Japan ab April 1992 in etwa 50 Niederlassungen auch VW- Autos verkaufen. Im ersten Jahr der Zusammenarbeit soll dabei eine Verkaufszahl von 7.000 Wagen erreicht werden, die beide Seiten bis 1996 auf 30.000 verkaufte Wagen pro Jahr steigern wollen. Bisher hatte VW seine Fahrzeuge in Japan hauptsächlich durch den japanischen Importwagenhändler Yanase abesesetzt. Ein eigenes Vertriebsnetz von VW in Japan befindet sich zwar im Aufbau, doch rechnen die VW-eigenen Händler unter günstigsten Bedingungen mit einer Verkaufszahl von 20.000 Autos im Jahr 1995. „Wenn man in Japan 30 Händlerniederlassungen innerhalb von zwei Jahren aufbauen will, dann ist das eine große Anstrengung“, rechtfertigte VW-Vorstand Hungerland die Zusammenarbeit mit Toyota. Doch verglichen mit den hunderten japanischer Autohändler in Deutschland sieht es eher so aus, als scheue VW in Japan allzu große Anstrengungen.

Tatsächlich gehen die Autoimporte in Japan nach Jahren des Wachstums wieder zurück. Im Verkaufsmonat Mai fielen zwar auch die Verkaufszahlen japanischer Hersteller um 2,6 Prozent, doch das Minus für Importwagen lag bei 4,5 Prozent fast doppelt so hoch. Eine Ideallösung für VW ist der Toyota-Deal trotzdem nicht. „Könnte ich in Japan noch einmal vor 20 Jahren beginnen, würde ich heute vielleicht anders handeln“, gestand Hungerland. Jahrzehntelang hatte der Konzern den japanischen Automarkt ignoriert.

Das Geheimnisvolle an dem Deal ist freilich, was sich die japanische Seite davon erhofft. Nachdem VW und Toyota bereits in Hannover beim Bau eines Pick-ups zusammenarbeiten, bezeichnete Toyota-Chef Toyoda das jetzige Abkommen als „zweite Phase“ der Kooperation. „Wenn wir erfolgreich sind“, ergänzte der Konzerngewaltige, „können wir einen Schritt weiter in die dritte Phase gehen.“

Deutlicher konnte das Signal kaum sein. Offenbar erhofft sich der Toyota-Konzern durch die Zusammenarbeit mit VW bessere Behauptungschancen in Europa. Schon bei der umstrittenen Frage, ob in Europa produzierte Wagen japanischer Hersteller unter die zukünftigen Autoimportquoten der EG fallen, hat der VW-Konzern ein wichtiges Wörtchen mitzureden. VW-Chef Hahn wird sich dann wohl entscheiden müssen, ob er sich nun als neuer Toyota-Partner versteht oder lieber weiter über die japanische Konkurrenz nachdenkt.