Die Rebellion ist nicht aufzuhalten

■ Die Morde an den Kurden in Diyarbakir

Die Rebellion ist nicht aufzuhalten Die Morde an den Kurden in Diyarbakir

Maskierte Beamte mit Maschinenpistolen feuern ins Volk und ermorden Männer, Frauen und Kinder. Ende einer Demonstration in Türkisch-Kurdistan. Mit der bislang größten Massenkundgebung in Diyarbakir wollten die Kurden am Mittwoch einen der ihren beerdigen. Vedat Aydin, den Stadtverbandsvorsitzenden der „Arbeitspartei des Volkes“. Nachts hatten ihn Männer, die Aydin als Polizisten kannte, aus der Wohnung geholt. Mehrere Tage später existierte nur noch seine Leiche, der Körper war unter Folter barbarisch zugerichtet. Die Beerdigung des Kurden Aydin wurde zum Grab für andere Kurden.

Das Morden in Kurdistan geht weiter. Doch während früher die militärischen Auseinandersetzungen zwischen türkischer Armee und der „Arbeiterpartei Kurdistans“ PKK in den Bergen stattfanden, verbreiten heute Todesschwadrone auch in den Städten Angst und Terror gegen prominente Kurden. Elf professionell ausgeführte Morde binnen zwei Wochen. Kaum einer zweifelt, daß die Counter-Guerilla, der türkische Ableger von Gladio, dahintersteckt. Doch auch das wird am Bankrott der offiziellen Kurdistan-Politik des türkischen Staates nichts ändern. Die Rebellion des kurdischen Volkes in der Türkei scheint nicht mehr aufzuhalten. Ein unabhängiger kurdischer Staat war immer das Schreckgespenst des türkischen Regimes, das zugleich die Grenzen Kurdistans gezogen und einen Staat im Staat Türkei errichtet hat. In Ankara gibt es eine Regierung, ein Parlament, es gibt Gerichte, es gibt Gesetze und eine relativ unabhängige Presse. Kurdistan ist ein anderes Land. Dort hat der Staat grundlegende bürgerliche Rechte und Freiheiten aufgehoben. Dort gibt es keine Gesetze, keine Gerichte. Ladenbesitzern, die ihren Protest gegen Killerkommandos kundtun, indem sie ihre Geschäfte nicht öffnen, schlägt die Polizei die Fensterscheiben ein.

In Türkisch-Kurdistan, wo jede Woche Dutzende Menschen einen gewaltsamen Tod sterben, gibt es nicht das Problem einer kleinen Gruppe „seperatistischer Terroristen“. Dort herrscht ein blutiger Krieg zwischen einer Guerilla, die von der Bevölkerung unterstützt wird, und der Armee. Wären die Herren in Ankara nicht so verknöchert, sie könnten auf Anhieb das Morden beenden.

Was liegt näher, als das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes anzuerkennen und in Verhandlungen mit der Guerilla einen Waffenstillstand zu vereinbaren? Ganz einfach, Frieden stiften. Ömer Erzeren