Mexiko feiert Blackout

Das Jahrhundertereignis Sonnenfinsternis ließ 50 Millionen MexikanerInnen in den Himmel starren  ■ Von Bert Hoffmann

Mexico-Stadt (taz) — Genau sechs Minuten und 40 Sekunden dauerte das „Jahrhundertereignis“, die totale Sonnenfinsternis, die in Mexiko seit Wochen Gesprächsthema Nummer eins war. Die großinszenierte Europatournee von Präsident Salinas verblaßte davor genauso wie die jüngsten Wahlen in der Provinz Nueva León, bei denen sich die ewige Regierungspartei PRI einmal mehr einen prächtigen Sieg zuschusterte. Im Banne der „Eclipse“ schien ganz Mexiko zu einem Volk von Hobby-Astronomen geworden zu sein. Und als sich gestern Mittag der Mondschatten allmählich vor die Sonne schob, bis sie nur noch als ein glühender Kranz um eine schwarze Scheibe erschien, ließen — so die Schätzungen — rund 50 Millionen MexikanerInnen alles stehen und liegen, und sich das persönliche Erlebnis nicht nehmen.

Aber auch aus den USA wurden in Nord-Mexiko nicht weniger als eine halbe Million mit Kameras und Ferngläsern bewaffneter Sonnenpilger erwartet, die sich das „Umsonst und Draußen“-Spektakel der Totalfinsternis nicht entgehen lassen wollten.

Wo, wie und wann man die „Eclipse“ nun am besten sehen kann, waren in Mexiko die meistdiskutierten Fragen der letzten Wochen. Für die Bewohner von Mexiko- Stadt, denen die dichte Smog- Decke der Hauptstadt den klaren Blick auf die verfinsterte Sonne verdirbt, sind die präkolumbianischen Pyramiden und Kultstätten der Umgebung zu den beliebtesten Observationsorten avanciert. So hat man sich allein in Teotihuacan, der großen Pyramidenstadt im Norden Mexikos, für den Einfall von 200.000 Hauptstädtern gerüstet. Das ursprünglich dort direkt zur Sonnenfinsternis geplante Mammut-Konzert von Jean-Michel Jarre, das von den Ruinen wohl kaum mehr als Trümmer übriggelassen hätte, bleibt Teotihuacan nach der Absage durch den Musiker erspart.

Mehr noch als das Wo sorgte aber das Wie der optimalen Sonnenbeobachtung für heftige Debatten im Vorfeld: Denn die staatlichen Sprecher wurden nicht müde, den Leuten einzutrichtern, daß es in höchstem Maße gesundheitsschädigend sein und sogar zu Blindheit führen kann, während der Finsternis mit bloßem Auge in die Sonne zu schauen. Statt dessen verkündeten die Fernsehspots, man solle sich die offiziell geprüften, 3-D-Brillen-ähnlichen Sichtfilter kaufen oder aber sich die Sonnenfinsternis in der Live-Übertragung im Fernsehen ansehen.