George Bush hebt die Südafrika-Sanktionen auf

Der US-Präsident sieht die fünf Forderungen des 1986 beschlossenen Sanktionsgesetzes erfüllt/ Sanktionsbefürworter im Kongreß sprechen von „tragischem Tag für die amerikanische Demokratie“/ Boykott wird auf lokaler Ebene weitergehen  ■ Aus Washington Andrea Seibel

Es war ihm, das konnte er nicht verhehlen, ein Plaisir, die Aufhebung des Sanktionsgesetzes gegen Südafrika zu verkünden. US-Präsident Bush entledigte sich am Mittwoch abend eines Gesetzwerkes, das ihm seit dessen Verabschiedung 1986 ein Dorn im Auge war: „Ich habe lange mit Nelson Mandela telefoniert und ihm zu erklären versucht, daß ohne Sanktionen mehr Fortschritt für die Schwarzen in Südafrika zu erreichen ist als mit.“

Frustriert und seiner effektivsten Waffen beraubt, spricht selbst der ANC mittlerweile von mehr „Flexibilität“ in der Wahl der Kampfmittel gegen Pretoria und läßt sich von Bush mit „diplomatischem Druck“ und 80 Millionen abspeisen. Nicht die Sanktionen, so Bush, hätten Südafrika zu jenem Wandel gebracht, „den die Welt kaum erwartet hat“, sondern ein Mann wie Präsident De Klerk. Die Prioritäten Washingtons sind somit klar: an erster Stelle „unser Mann“ De Klerk, danach der „unterschätzte“ Buthelezi und dann vielleicht dieser Mandela.

Das 1986 vom Kongreß mit einer sensationellen Zweidrittelmehrheit gegen das Veto des damaligen Präsidenten Ronald Reagan verabschiedete Sanktionsgesetz sah vor, daß Importe und Exporte (Öl, Gold, Kohle, Uran, Stahl und Textilien) gestoppt und keine Investitionen oder Kredite getätigt werden sollten. Erst nach Erfüllung von fünf Bedingungen sollten diese Sanktionen aufgehoben werden dürfen: nach der Freilassung aller politischen Gefangenen, der freien politischen Betätigung aller SüdafrikanerInnen, der Garantie von fairen Verhandlungen über eine nichtrassistische Verfassung, der Aufhebung des Ausnahmerechts wie auch aller zentralen Apartheidgesetze. Diese fünf Punkte sind für Bush nun erfüllt, das Ende der Sanktionen eine „klare Sache“.

Schwarze Abgeordnete kalt erwischt

Viele schwarze Kongreßabgeordnete wurden trotz mehrerer Vorankündigungen Bushs kalt erwischt. Ihnen kommt alles viel zu früh und ist in der Begründung zu „technokratisch“, so der demokratische kalifornische Kongreßabgeordnete Ron Dellums, führender Autor des Gesetzes von 1986. Dellums erinnerte Bush an den „Geist“ des Sanktionsgesetzes. Dessen Ziel sei doch gerade, den Weg für ein demokratisches, nichtrassistisches Südafrika zu ebnen und nicht bei der Aufhebung von Unrechtsgesetzen stehenzubleiben. Randoll Robinson, Vorsitzender vom think tank „Trans-Africa“, sprach gar sichtlich erschüttert von „einem tragischen Tag für die amerikanische Demokratie“. Alle Kritiker, unter ihnen auch Dough Tilton vom „Washington Committee on Africa“, fordern, daß Sanktionen als bewiesenermaßen effektives Druckmittel bis zur Abhaltung freier und fairer Wahlen in Südafrika bestehen bleiben müssen.

Es ist sehr unwahrscheinlich, daß der Kongreß innerhalb der nächsten 30 Tage effektive Gegenmaßnahmen auf die Beine stellen kann oder den Präsidenten gar analog zu 1986 überstimmen wird. Schon mit dem Vorstoß der EG, die im April eine Aufhebung ihrer Sanktionen beschloß, war das Eis gebrochen; und nach den USA melden sich nun auch die Japaner zu Wort. Dennoch wird die Debatte in den USA mit großer Heftigkeit geführt, weil die Solidarisierung mit den Schwarzen Südafrikas immer auch ein Stellvertreterkampf und Indikator für latente Konflikte im eigenen Land war und ist.

Bush ist sich im Kontext der zwar umstrittenen, aber äußerst geschickten Nominierung des konservativen Schwarzen Clarence Thomas zum Obersten Richter sicher, auch die Sanktionsfrage politisch siegreich auszusitzen. Fast ist es wie eine späte Genugtuung für die Niederlage Reagans 1986 und wird von einer sensibilisierten Bürgerrechtsbewegung als weiteren Affront empfunden. Entsprechend heftig reagiert auch Dumisani Kumalo vom „American Comittee on Africa“ in New York, der ältesten (1953 gegründeten) Anti-Apartheid-Organisation der USA: „Das ist keine Niederlage, wir geben nicht auf. Wir werden auch jetzt Druck ausüben.“

Investoren bleiben vorsichtig

Was kommt nun aber nach der Aufhebung der Sanktionen? Experten sind sicher, daß die unter dem Druck der US-Öffentlichkeit aus Südafrika abgezogenen 217 Firmen dreimal überlegen werden, bevor sie einen Neuanfang wagen. In ersten Umfragen etwa des 'Wall Street Journal‘ ist von dezenten Sondierungsbesuchen General Motors oder etwa von Heinz Co. in Südafrika die Rede. Andere Firmen wie etwa Mobil oder Pepsi sind noch vorsichtiger, nicht zuletzt wegen der instabilen Situation in Südafrika und weil die „Kopfschmerzen, die ihnen die Anti- Apartheid-Bewegung in den letzten Jahre bescherte, noch nicht verflogen sind“, wie Alison L. Cooper vom „Investor Responsibility Research Center“ in Washington betont. Auch ein größerer Kreditfluß ist unmöglich, solange der IWF noch kein Strukturanpassungsprogramm für Südafrika anbieten will und die USA dieser Linie folgen. Das Waffenembargo im Rahmen der UNO bleibt auch in Kraft.

Doch interessant wird es unterhalb der nationalen Ebene. In 28 US- Bundesstaaten und 98 Städten existieren weiterhin gültige Gesetze, die Firmen Geschäfte mit Südafrika verbieten. Verbraucherboykotte und Aktionärsoffensiven haben sich über das ganze Land verteilt, die von Universitätsfinanzen bis hin zu Rentenfonds die Kooperation mit Firmen, die es mit dem Apartheidregime halten, boykottieren. Elizabeth Holtzmann, städtische Rechnungsprüferin der Finanzkapitale New York etwa ist sich sicher, daß die Gesetze auch in Zukunft beibehalten bleiben: „Unsere Stadt hat keinen Grund, ihre Haltung gegenüber Südafrika zu revidieren, solange wir nicht wirklichen Wandel und wahre Demokratie durch ,Ein Mensch — eine Stimme‘ erleben.“

Ohne Zweifel hat die Sanktions- Lobby und mit ihr der Kongreß in Washington eine Niederlage erlitten. Doch progressive Städte und Gemeinden mit starken Minderheiten werden ihre Anti-Apartheid-Politik beibehalten. „Jede Firma, die jetzt neu in Südafrika investiert“, so Richard V. Knight vom „American Committee on Africa“, „wird es mit uns zu tun bekommen.“ Die Frage der Befreiung und Befriedung Südafrikas wird auch weiterhin für viele US-AmerikanerInnen Gradmesser und Spiegelbild ihrer eigenen gesellschaftlichen Verhältnisse bleiben.