Die CSU zog schnell die Notbremse

Tagesordnung des kleinen Parteitags in Ansbach entschärft/ Entscheidung über Tempolimit auf Autobahnen vertagt/ Erklärung zur Abtreibung soll für Geschlossenheit in der Partei sorgen  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) — Der CSU-Parteivorstand hat Angst: Um größeren Flurschaden zu vermeiden, hat er deswegen die Tagesordnung des morgen in Ansbach stattfindenden kleinen Parteitags entschärft. Die geplante Diskussion und Verabschiedung des neuen Umweltprogramms, dessen Forderung nach einem Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf den Autobahnen für heftige Turbulenzen sorgte, wurde kurzerhand auf den Herbst vertagt. Zentraler Punkt des Wochenendes wird nun eine „umfassende Erklärung zum Schutz des ungeborenen Lebens“ sein. Vorher hatte die Christlich-Soziale Union wochenlang für negative Schlagzeilen zum Thema „Filz in Bayern“ und „Parteiinterner Zwist“ gesorgt.

Am 15. Juni hatte die Landesversammlung des CSU-Arbeitskreises Umweltsicherung für einen Paukenschlag gesorgt. Knapp zwei Drittel der Delegierten stimmten für ein Tempolimit von 120 km/h auf den Autobahnen. Insbesondere der Herriedener Oberförster Josef Göppel hatte sich der Umwelt zuliebe für eine Geschwindigkeitsbegrenzung stark gemacht. Die Argumente der Gegner konnten die Delegierten nicht überzeugen. So zeigte die Warnung des CSU-Bundestagsabgeordneten Gerhard Friedrich vor „zusätzlichem Ärger mit dem Wähler“ ebensowenig die gewünschte Wirkung wie sein Argument, ein Tempolimit sei „Augenwischerei“, weil wegen der hohen Verkehrsdichte sowieso nur selten sehr schnell gefahren werden könne.

Das Votum des CSU-Arbeitskreises schreckte die Staatskanzlei in München auf. Sie forderte die Namensliste der Delegierten an. Natürlich nur, um mit diesen Personen „gegebenenfalls das Thema fachlich zu erörtern“. Daß dabei schon einmal ein Delegierter nach seinem Abstimmungsverhalten befragt worden war, wurde später als „beiläufige“ Frage in einem „privaten“ Telefonat verharmlost. Die Staatsregierung hatte noch mehr Grund, das überraschende Abstimmungsergebnis näher unter die Lupe zu nehmen, hatten doch nicht weniger als sechs Ministerien ihre Expertisen zu dem Umweltprogramm abgegeben. Dabei hatte das Wirtschaftsministerium zum Punkt Tempolimit unzweideutig gemahnt, „es sollte sorgfältig erwogen werden, ob ein Positionswechsel und damit das Eingeständnis, daß man sich geirrt hat und Sozialdemokraten und Grüne bisher richtig lagen, nicht mehr politischen Schaden als Nutzen“ brächte.

Die hochkarätigen Stellungnahmen der CSU-Minister beeindruckten weniger den rebellischen Arbeitskreis als vielmehr die Opposition im Landtag. Die Grünen sprachen von einer „verfassungswidrigen Vermischung von Zuständigkeiten“, und die SPD geißelte gar den „Mißbrauch des Staatsapparats“. Die „Totalverfilzung zwischen CSU und Ministerialbürokratie“ trage nach Ansicht des SPD-Fraktionsvorsitzenden Karl-Heinz Hiersemann „eindeutige Zeichen von Barschelei“. Die CSU reagierte pikiert. Generalsekretär Erwin Huber wies die Kritik als „typisches Oppositionsgeschrei“ zurück, Staatskanzleichef Johann Böhm betonte, die Minister seien schließlich „keine politischen Eunuchen“, Parteichef Waigel und Innenminister Stoiber verteidigten die ausführlichen Stellungnahmen der Ministerien als „völlig normalen Vorgang“. In Bayern zumindest, da haben sie recht. So ließ die Staatskanzlei schon das CSU-Programm zur Münchner Kommunalwahl 1984 gleich von allen neun Ministerien kommentieren.

Welchen Stellenwert die CSU- Basis und auch die Landtagsfraktion im seit über 30 Jahren von der CSU alleine dominierten Regierungsgeschäft im Freistaat haben, demonstriert die Tatsache, daß CSU-Landtagsabgeordnete vor Stellung eines Antrags beim zuständigen Ministerium anfragen, ob sie das auch dürfen. In diesem aufgeheizten Klima versuchte Ministerpräsident Max Streibl ausgerechnet den Chef der CSU-Landtagsfraktion, Alois Glück, auszuhebeln. Das liberale Aushängeschild der Partei wollte sich mit Spitzenbeamten des Ministeriums zur Beratung zusammensetzen und bekam von Streibls Staatskanzlei eine barsche Absage. Da preschte sogar die brave CSU-Nachwuchsorganisation Junge Union vor und forderte einen „runden Tisch“ für die Parteispitze. Kompetenzstreitigkeiten zwischen Partei, Fraktion und Regierung sollten künftig nurmehr intern ausgeräumt werden. Nach außen hin müsse die Partei aber „wie ein harter Block“ auftreten.

Genau das soll jetzt in Ansbach demonstriert werden. Theo Waigel, eingefleischter Gegner eines Tempolimits, setzte beim Parteivorstand die Vertagung dieses Tagesordnungspunktes auf den großen CSU- Parteitag im November durch. Es gebe noch „erheblichen Diskussionsbedarf“, das Thema würde zudem dadurch „aufgewertet werden“. Mit einer „Ansbacher Erklärung zum Schutz des ungeborenen Lebens“ hofft die Parteispitze, das in den letzten Wochen in die Brüche gegangene Bild der Parteigeschlossenheit zu kitten. Doch auch hier bahnt sich Streit an. Den Abtreibungs- Hardlinern geht die von der CSU- Führung vorgeschlagene verschärfte Indikationslösung noch viel zu weit.