CSFR und Polen — Europas Türsteher

■ Armutsflüchtlinge scheitern an den Grenzen der ehemaligen Ostblockstaaten

Europa ohne Grenzen — das klingt beim ersten unbedarften Hinhören nach idealen Zuständen für Nomaden. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Mit Auflösung der Ostblockstaaten haben diese zwar ihre Funktion als Pufferzone des großen sowjetischen Bruders abstreifen können, doch der Einzug ins vielzitierte Europäische Haus ist vor allem für die CSFR und Polen mit der Aufgabe des Türstehers und Rausschmeißers verbunden — auch im Hinblick auf die erwartete Ausreise sowjetischer Staatsbürger ab 1993. „Kein Einlaß“, diese Devise gilt vor allem für die Roma aus Osteuropa.

Noch zu Lebzeiten der DDR gestattete der damalige Innenminister Diestel, unter anderem auf Druck des Bonner Innenministeriums und des Westberliner Senats, rumänischen StaatsbürgerInnen die Einreise in die DDR nur bei Vorlage einer Einladung — eine Maßnahme, die sich vor allem auch gegen die Roma richtete. Nun war plötzlich die CSFR mit einer wachsenden Anzahl von RumänInnen konfrontiert, die vor der deutsch- tschechoslowakischen Grenze mangels Einreisepapieren für die DDR hängengeblieben waren und in einem improvisierten Flüchtlingslager in der Grenzstadt Decin untergebracht wurden. Prag reagierte prompt und verlagerte die Kontrollen gleich an die tschechisch-ungarische Grenze.

„Ein Einfügen in die westeuropäische Staatengemeinschaft“, hatte der bayerische Innenminister Edmund Stoiber Prag bedeutet, erfordere Rücksichtnahme auf die Belange der Nachbarn und meine auch, „daß die tschechoslowakische Seite nicht pauschal an Hunderte von Türken und Ausländer sogenannte Touristenvisa ausstellen kann“. Die CSFR zeigte sich rücksichtsvoll und hat die Ausgabe von Transitvisa an türkische Staatsbürger drastisch eingeschränkt. Was die anderen Ausländer angeht, so vermeldete der tschechische Grenzschutz vor wenigen Tagen, habe er seit Januar 1991 1.800 Personen am illegalen Grenzübertritt nach Bayern gehindert — darunter vor allem RumänInnen und BulgarInnen. Wie viele den Schleichweg in die Bundesrepublik und damit in das bald grenzenlose Europa geschafft haben, ist unbekannt.

An der polnisch-deutschen Grenze sind allein letzte Woche 500 Roma und Sinti gefaßt und zurückgeschoben worden. Die meisten der RumänInnen, darunter viele Roma, versuchen laut Bundesgrenzschutz die Einreise mit Hilfe einer Schlepperorganisation. 90 Prozent wählten die polnisch-deutsche Grenze, 10 Prozent die tschechisch-deutsche Grenze.

Als wahrscheinlich gilt, daß, ähnlich dem deutsch- polnischen Freundschaftsabkommen, auch in einem zukünftigen Vertrag über deutsch-tschechoslowakische Zusammenarbeit die CSFR von Bonn als Hüter des Sperrgürtels um Deutschland verpflichtet wird. Andrea Böhm