Essen — Schlafen — Essen — Schlafen — Essen — Schlafen

■ Besuch bei nigerianischen Flüchtlingen im Hemelinger Allerhafen

“Sie wollen nicht, daß wir lachen“, sagt der Schwarze. Er lebt mit 170 anderen Afrikanern auf dem Schiff im Allerhafen. Immer, wenn sie lachend durch die Straßen gingen, würden sie von der Polizei angehalten, erzählt er. „Ausweis, Papiere“ die beiden Worte kommen ihnen fließend in deutsch von den Lippen. Sie haben alle schon unzählige Razzien erlebt, gleichgültig, ob sie erst wenige Wochen oder schon mehrere Monate auf dem Schiff leben. Sie fühlen sich, im Vergleich zu anderen Asylbewerbern in Bremen, stärker diskriminiert. In Straßenbahnen schimpfe man sie regelmäßig „Schwarzfahrer“. Auch diese Vokabel haben sie fehlerfrei drauf.

Im Januar haben die ersten das ehemalige Hotelschiff im Allerhafen bezogen. Unter Obhut der Arbeiterwohlfahrt kümmern sich um sie zwar, wie zu Beginn, neun Leute im Schichtdienst rund um die Uhr. Trotzdem fühlen die Afrikaner sich vernachlässigt.

Der DAB hatte ihnen über einen Lehrer zu Deutschunterricht verholfen, mit Beginn der Ferien

Schwimmende FluchtburgFoto: Tristan Vankann

hört dieses Angebot jedoch auf. Das Informationszentrum Afrika (IZA) richtete den Afrikanern eine kleine Bibliothek ein. Doch auch diese Initiative

lief ins Leere, nachdem der Kontaktmann des IZA nach Sachsen umverteilt wurde. Der Mann war Offizier aus Nigeria. Im Winter hatte er zu denjenigen gehört, die

aus dem Bunker auf's Schiff umgezogen waren. Er hatte an einem Putschversuch teilgenommen und deshalb Angst um sein Leben. 120 Menschen sind im vergangenen Jahr in seinem Heimatland hingerichtet worden. Darunter 69 Soldaten, die wegen angeblicher Beteiligung an einem Putschversuch vom April 1990 nach „geheimen, unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt worden waren“, berichtet amnesty international in seinem neuesten Jahresbericht.

Doch nach Sachsen verschickt, erlebte der nigerianische Offizier erneut soviele An- und Übergriffe auf sein Leben, daß er zurück nach Bremen floh, wo er seitdem untergetaucht ist und bei einem Bauern arbeitet.

Nigerianer machen von den schwarzen Flüchtlingen den Hauptanteil in Bremen aus. 322 stellten 1990 ihren Asylantrag in Bremen. Auch auf dem Schiff sind sie, neben 38 Gambianern, mit 60 in der Überzahl. Viele von ihnen sind Christen. „Als Christen werden wir von der moslemischen Regierung verfolgt“, erzählen sie mir, froh, daß jemand auf's Schiff kommt, um sie anzuhören. Zeitungsartikel holen sie aus ihren Kabinen. Von Hinrichtungen ist darin Rede.

Die beiden, die sich im Gespräch an Bord als Sprecher ihrer Landsleute einbringen, gehören zu der Schicht, die es besonders schwer hat — zu Akademikern und Führern religiöser Gruppen: einer ist Priester, der andere Pharmazeut. Auch diesen Gruppen schreibt amnesty eine besondere Gefährdung zu: „Viele wurden festgenommen, nachdem sie sich öffentlich zu dem Putschversuch geäußert hatten.“ In ihren Verhören sei es weniger um eine etwaige Beteiligung, als vielmehr um ihre „politischen Standorte“ gegangen.

Pharmazeut und Priester sind auf schwarzen Wegen mit dem Schiff nach Bremen gekommen. Jetzt warten sie darauf, daß irgendjemand ihre Ängste und Probleme ernst nimmt. Sie wollen arbeiten, etwas tun. Wütend zeigen sie auf ihre Oberarmmuskeln: „Essen, Schlafen, Essen, Schlafen — mehr gibt's nicht.“ Und von dem wohlmeinend für sie gekochten parboiled Langkornreis haben sie die Nase voll: „A hungry man is an angry man“ sagen sie. Birgitt Rambalski