Mehr Haltung mit Hut

■ Jenseits der Konfektionsmassenware an Kopfbedeckung kreiert eine Werkstatt im Süden Berlins originelle und klassische Hüte

Jenseits der Konfektionsmassenware an Kopfbedeckungen kreiert eine Werkstatt im Süden Berlins originelle und klassische Hüte. Von CORINNA RAUPACH

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enn ich einen Hut auf habe und ich geh' ins KaDeWe, werde ich gleich ganz anders behandelt“, erzählt eine Kundin im Laden des „Berliner Hut-Designs“. „Mir werden die Türen aufgehalten, und ich werde viel respektvoller angesprochen.“ Heute hätte sie gern „etwas Französisches“ als Kopfbedeckung.

Auf die Idee, Hüte zu machen, kam Lafrenière, Chef des „Berliner Hut- Designs“, auf dem Londoner Weihnachtsmarkt, wo ihn die Vielzahl der ausgestellten Kopfbedeckungen faszinierte. Ein Freund hatte „als leidenschaftlicher Sammler von allen möglichen Gegenständen auch ein paar Holzköpfe ergattert“. An diesen betätigte er sich neben seinem eigentlichen Job als Möbeldesigner und Theaterrequisiteur als autodidaktischer Hutmacher, bis er durch Zufall eine alte pensionierte Hutmacher- Meisterin kennenlernte. Diese brachte ihm das Hutmachen „von der Pike auf“ bei. 1987 gründete er dann mit einer Mitarbeiterin das „Berliner Hut-Design“.

„Die Modemacher haben leider die Hüte vergessen, die wenigsten Designer statten Kollektionen mit Kopfbedeckungen aus“, bedauert Lafrenière. Während der Hut früher für Damen und solche, die es sein wollten, Pflicht war, rückten seit den 60er Jahren die Frisuren in den Mittelpunkt der Mode für den Kopf. „Kennedy war dann der erste Präsident, der keinen Hut mehr trug, das hat die Hutmode auch bei den Männern weitgehend unter den Tisch fallenlassen.“ „Das kommt aber wieder“, glaubt seine Partnerin. „Fast alle haben ein oder zwei Hüte im Schrank, manche sogar fünf oder sechs. Es kommt mir so vor, als warteten die alle nur auf den Startschuß, endlich ihre Hüte auch zu tragen.“

„Wir haben viel experimentiert und haben so unseren eigenen Stil entwickelt“, berichtet Lafrenière. Dazu gehört auch das Entwerfen von Avantgarde-Hüten. „Da kann man auch mal ganz verrückte Sachen mit ganz viel Phantasie und Kreativität machen, sehr hohe Hüte zum Beispiel oder welche mit langen Schleppen. Die sind dann zwar für den Normalgebrauch untragbar, aber auf Messen hatten wir damit schon große Erfolge.“ Auch gehören sie zu den wenigen Hut-Designern, die auch Herrenhüte entwerfen. „Die Herren lieben es meistens immer noch eher klassisch, ganz selten kommt schon mal einer, der etwas Witziges möchte.“ Der Kreativität bei den Damenhüten sind dagegen keine Grenzen gesetzt, gerade große Hüte sind bei ihnen sehr beliebt. „Das ist einfach der Inbegriff der Hüte, diese großen Modelle“, bestätigt die Designerin. Für Damen gibt es entsprechend alles Erdenkliche, was sich so auf dem Kopf befestigen läßt: das kleine Schwarze fürs Theater etwa, aus Samt und verziert mit Perlen, Straß oder Fransen, oder für die eigene Vernissage eine wagenradgroße Kreation mit duftigem Federrand. „Ein bißchen frech“ finden die Hutmacher eine Serie von Schiebermützen, teils aus Jeansstoff, teils aus Leinen, mit schlangenlederimitierten Schirmen. Flirten läßt es sich gut hinter einem koketten Schleier, und den ganz großen Auftritt garantiert ein Traum aus samtbedrucktem Crêpe de Chine.

Besonderen Wert legen die beiden auf die Qualität des Materials, „wir verarbeiten nur hochwertige Filze und Naturstoffe wie Seide, Chiffon, Samt und Baumwolle für das Futter. Die Leute sollen das Gefühl haben, etwas Gutes auf dem Kopf zu haben“, so Lafrenière. Die Verarbeitung ist ebenfalls sehr aufwendig, bis auf die Stoffhüte wird alles mit der Hand gearbeitet.

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ie Werkstatt befindet sich gleich hinter dem Steglitzer Ladenlokal. Die wichtigsten Werkzeuge sind die hölzernen Hutköpfe, deren Form die der Hüte bestimmt, ein Bügeleisen und ein nasser Lappen. Der Filz- oder Strohrohling wird bedampft und über dem Kopf mit den Händen auf Länge und Form gezogen. Ist er soweit, wird er am unteren Rand festgenagelt und geschnitten. „Das ist eine richtig körperlich schwere Arbeit“, so Lafrenière. „Für den Schnitt muß man dann eine gute, ruhige Hand haben, weil der Rand nicht ausgezackt werden darf. Entscheidend ist auch das Augenmaß, schon Millimeter können den ganzen Schnitt des Hutes verändern.“ Aus dem abgeschnittenen Materialrest wird dann die Krempe gefertigt und an den luftgetrockneten Kopf genäht. „Durch die Naht gewinnt die Form an Stabilität und kann sich später nicht verziehen“, erläutert er. Sie wird dann unter den Bändern aus Rips oder bedrucktem Leder verborgen. Stoffhüte werden nach unterschiedlichen Schnittmustern genäht und mit Draht oder Füllmaterialien in Form gebracht. Die Schubladen des großen Schrankes sind voll von Perlen, Bändern, Blüten und Nieten, die als Accessoires verarbeitet werden. Für besonders ausgefallene Modelle hat er auch noch ein paar Gummitiere oder auch echtes Horn vorrätig. „Es gibt Teile, die ich auf dem Flohmarkt oder sonstwo gefunden habe, die finde ich so toll, daß ich sie jahrelang bunkere, bis mir dann die richtige Idee kommt.“

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ei einigen Hüten hat er schon beim Herstellen eine bestimmte Idee, was für ein Typ darunter gehört, für andere wandelt er herkömmliche Formen ab. „Manchmal entsteht der Hut aber auch erst, während ich ihn mache.“ Seine Partnerin erzählt, daß ein Urlaub in England mit seinen Schlössern sie zu verschiedenen Samtkreationen inspiriert habe.

Menschen verändern sich unter einem Hut, da wird schon mal aus dem Mauerblümchen die große Dame, oder aus dem Beamtentyp ein Django. Auch wie ein Hut aufgesetzt wird, sagt etwas aus: „Wenn man ihn zum Beispiel am Hinterkopf trägt, ist man ein bißchen gigolomäßig und gut drauf, zieht man ihn ins Gesicht, ist man schon abgegrenzter und signalisiert eher Abstand, und trägt man ihn schräg, ist man für alles offen“, hat die Hut-Designerin festgestellt. Außerdem hätten Hutträger im allgemeinen eine bessere Haltung, „sie gehen meist sehr gerade und aufrecht“. Kopfbedeckung und Persönlichkeit müssen aber schon miteinander korrespondieren. „Es gibt zwar manchmal ganz schwierige Fälle, aber irgendein Hut paßt zu jedem. Man bekommt einen Blick dafür. Wir lassen niemanden rausgehen, wenn wir nicht meinen, daß er den richtigen Hut gekauft hat“, sagt Lafrenière.