: Namhafte Kabarettgruppen
■ Über die „Erste Leipziger Lachmesse“
Das klingt schon bedeutungsvoll. Da lädt der „Vorstand des Europäischen Humor- und Satirefestival“ eigens zur Pressekonferenz, um vorab „im Rahmen des sich öffnenden Europas“ für die 1. Leipziger Lachmesse zu trommeln. Denn — so die Kosmopoliten aus der Vorstandsetage — just in diesen schweren Zeiten sei es dringlich, die Menschen zum Lachen zu bringen. Deshalb kommen die „Künstlerinnen und Künstler nach Leipzig — für Mut, Optimismus und Zuversicht im zusammenwachsenden Europa“.
Dies muß man sich — allen Ernstes — in den Notizblock schreiben. Bei genauem Hinsehen entpuppt sich besagter Vorstand als die etablierte Crème der Leipziger Schauspiel- wie Kabarettkunst. Nicht daß man die Macher der „academixer“ wie der „Pfeffermühle“ oder des Leipziger Schauspielhauses, der Filmtheaterbetriebe Leipzig und des Studentenklubs der Moritzbastei nicht zu wackeren Europäern zählen möchte.
Aber von rund zwanzig auftretenden Einzelkünstlern wie Gruppen, kamen bei diesem 14tägigen Festival gerade mal vier aus nichtdeutschen Landen. Vorrangig packen die Leipziger aus, was sie an Talenten in diesem Genre zu bieten haben. Zaungäste aus Dresden, München und Frankfurt waren dabei willkommen.
Es ist immer gut, den Mund voll zu nehmen. Die Manager der Lachmesse schreiben dann, ohne die Mundwinkel zu verziehen, alles ins Programm: Kabarett, Dramatik, Musik, Literatur, Kleinkunst, Foto, Film, Cartoon, Ausstellungen, filmische Begleiterscheinungen (in einigen Kinos laufen Publikumsrenner wie Kehraus oder Is was Kanzler et cetera).
Eine handvoll Filme und einige ausgestellte Cartoonisten in den Theaterfoyers machen aber noch kein Begleitprogramm für ein „europäisches Festival“. Sehenswert immerhin sind im Vorraum der „Pfeffermühle“ die bitterbösen Nach- Wende-Satiren Muffel vor dem Herrn aus der Feder des Leipziger Lothar Otto. Auf den diversen Bühnen dann Altbekannt-Bewährtes, Highlights, Peinlichkeiten, alles in schöner Abwechslung. Bedient wird jeder Geschmack.
Wem das Leben bisweilen wie ein Comic-strip erscheint, der war in der Leipzig Information (so nennt sich das städtische Fremdenverkehrsamt mit seinen „für theatrale Akte geeigneten Räumlichkeiten“) bei der Italienerin Francesca de Martin und ihren Dario-Fo-Adaptionen schier glücklich. Schrille Drei Wunder in Gestalt klischierter Alltags-Typen Marke Dumm-Deutsch oder Verklemmt-Intellektuell greifen von de Martin Besitz und ringen ihr die unmöglichsten Grimassen ab. Auf dem Gebiet handgreifliche Komik sah man sich auch bei den belgischen Clowns „Les Funambules“ bestens versorgt, die im Schauspielhaus Marx-Brother-Qualitäten mit zirkusreifer Artistik zu bestem Klamauk verbanden.
Totgesagte leben länger, sagten sich die Verwalter der Lachmesse und riefen einige namhafte Kabarettgruppen aus Ost und West zusammen, zwecks Widerlegung der sich verbreitenden Mär, die Zunft habe mit der Vereinigung Feind und Freund verloren. Neben den Lokalmatadoren aus der „Pfeffermühle“ und den „academixern“ fanden sich unter anderem die Dresdner „Herkuleskeule“, die (Ost-)Berliner „Diestel“, der Münchner Andreas Giebel, (West-)Berlins Exportschlager Martin Buchholz, das Frankfurter Fronttheater und „Missfits“, eine Damencombo aus Oberhausen.
Bezeichnend bei fast allen Programmen war der Hang zu leichtverdaulichem Amüsement: Spätestens seit Kohl-Witze wie Stasi-Kalauer nur noch bedingt verwendbar scheinen, entdecken die Kabarettisten das Komödiantentum. An vordester Front hier bei ihrem ausverkauften Gastspiel die „Missfits“. Stephanie Überall und Gerburg Jahnke als Die Frau in den besten Jahren fallen mit beträchtlichen Körpereinsatz über die Spielarten der Frauenbewegung her — „Waren Sie heute schon auf der Demo?“ — und zeigen dick aufgetragene Klischees über die Ex- Emanze, das Zuckerpüppchen und die gestandene Ministerin. Daß man statt des Kanzlers Prosa die eigene Szenesprache liebgewonnen hat, demonstrierten auch Hendrike von Sydow und Dieter Thomas vom Frankfurter Fronttheater. Nichts was man nicht schon kennen würde: Ehekrach in der bio-dynamischen WG, Alternativtouristen auf Sex-Urlaub, altlinke Hausbesitzer auf Grillfest, szenisch nett verpackt mit Dialektbeigaben und kleinen Musikstückchen — ein Endlosvideo (west-)deutscher Kabarettkunst.
Einen Weg aus der komödiantisch verbrämten Sprachlosigkeit der Sprachkünstler fand zumindest der Hofschreiber der „academixer“, Bernd-Lutz Lange. Er spielte einige Nummern aus seinem 1988er-Programm. Wie die Leipziger sich den Westen vorstellen: Per Zufall wurde Leipzig nach 1945 von den Amerikaner besetzt; 40 Jahre später besucht der ehemals sowjetisch besetzte Dresdner seinen Vetter in Leipzig und wandelt durch die neonverstrahlte Messestadt.
Natürlich war die 1. Leipziger Lachmesse kein „europäisches Festival“, aber ein beachtliches Treffen deutsch-deutscher Kabarettstückchen. Bei der grassierenden Festivalmanie geht's wohl auch dabei nicht mehr ohne den Zusatz „Europa“. Für nächstes Jahr — das Treffen scheint sich laut Auskunft der Organisatoren gerechnet zu haben — empfehlen wir den Zusatz „multikulturell“, vielleicht unter Hinzuziehung einer Sambatruppe. Nana Brink
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