Keine Zeit für Ausländerpolitik

Kurz vor ihrem Rücktritt kritisiert Ausländerbeauftragte Funcke die Regierung noch einmal heftig/ Zukunft des Amts unklar/ Broschüre mit Maßnahmen gegen die Fremdenfeindlichkeit vorgelegt  ■ Von Ferdos Forudastan

Bonn (taz) — Zum letzten Mal in ihrer Amtszeit als Ausländerbeauftragte hat Liselotte Funcke gestern in Bonn der Bundesregierung schwere Vorwürfe gemacht. Die 72jährige FDP-Politikerin bezeichnete es vor JournalistInnen als „bedenklich“, daß „nur schwer erkennbar“ sei, welchen Stellenwert die Bundesregierung der Ausländerarbeit überhaupt gebe. Funcke, die am kommenden Montag nach zehn Jahren von ihrem Amt zurücktritt, weil sie sich von der Bundesregierung blockiert fühlte, verwies besonders auf das Verhalten ihres Auftraggebers Helmut Kohl: Immer wieder hatte sie ihn um ein Gespräch über die wachsenden Probleme bei der Integration hier lebender AusländerInnen gebeten. Ein für Mai vom Kanzleramt versprochenes Treffen wurde nicht einmal abgesagt: es platzte einfach — „aus terminlichen Gründen“, wie Regierungssprecher Dieter Vogel gestern lapidar beschied. Liselotte Funcke berichtete am Freitag auch, daß bisher kein Regierungspolitiker auf ihren vor Wochen angekündigten Rücktritt reagiert habe. In der Tat hatte lediglich Regierungssprecher Vogel den Schritt der Ausländerbeauftragten „bedauert“.

Wenn Liselotte Funcke am Montag ihr Büro räumt, wird es zunächst leer bleiben: bis heute sich die Bundesregierung nicht ernsthaft um ihre Nachfolge gekümmert; bis heute hat sie überdies nicht entschieden, wie sie das Amt der Ausländerbeauftragten in Zukunft ausgestalten will. Funcke hatte schon vor Monaten ein eigenes Ministerium für Ausländerfragen gefordert. Das lehnen die Bonner KoalitionärInnen freilich ab. Sie sind sich noch nicht einmal darüber einig, wo die nächste Ausländerbeauftragte angesiedelt wird.

Innenpolitiker der CDU/CSU möchten sie auf den Posten eines einfachen Staatssekretärs abschieben — und damit entmachten. Der Freidemokrat Gerhart Baum will sie dem Bundestag zuordnen. Weil hierfür eine Verfassungsänderung nötig wäre, möchte Burkhard Hirsch, innenpolitischer Sprecher der FDP, die Funktion der Ausländerbeauftragten (einfach-) gesetzlich verankern und sie wie bisher bei einem der Ministerien ansiedeln. Daß diese jedenfalls immer wichtiger wird, hat Liselotte Funcke gestern noch einmal sehr deutlich gemacht. Sie warnte wiederholt vor der „alarmierenden“ Fremdenfeindlichkeit in den neuen Bundesländern. Besonders von Rechtsradikalen würden Ausländer immer stärker zu Sündenböcken für allgemeine Probleme gestempelt. Hier seien dringend die Politiker gefordert. Sie selbst stellte vor ihrem Abschied eine Broschüre vor, in der Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden und Medien zahlreiche Vorschläge dafür gemacht werden, wie sie der wachsenden Fremdenfeindlichkeit begegnen können.