Wilde Wismut-Jahre

Kaum ein Bereich war in der ehemaligen DDR so geheimnisumwittert wie die „Sowjetische Deutsche Aktiengesellschaft Wismut“, wo unter sowjetischer Federführung Uran in Sachsen und Thüringen abgebaut wurde. Seit ihrer Gründung 1946 war die SDAG Wismut ein Staat im Staate, bald mit eigener Parteiorganisation, eigenen Krankenhäusern, einem eigenen Verkehrsunternehmen und eigenen Kontrollinstanzen. Von Anfang an diente hier der Uranbergbau militärischen Zwecken, denn Stalin und die Führung der Roten Armee wollten das Atombombenmonopol der USA um jeden Preis brechen. Da eigene Lagerstätten in der SU wenig erschlossen waren, hielt man sich an den Bergbaurevieren der damaligen Besatzungszone schadlos, quasi als unbefristete Reparationsleistung. Für die Arbeit in den Schächten und Stollen wurden in den Nachkriegsjahren Zehntausende zwangsverpflichtet. Strahlen- und Arbeitsschutz waren Fremdworte, und über die gesundheitlichen Gefahren des Uranbergbaus sind weder die Wismut-Kumpel noch die Bewohner der Ortschaften je wirklich aufgeklärt worden, die in der Nähe von Aufbereitungsbetrieben, Schlammbecken und Abfallerzhalden liegen. Statistische Daten über den Gesundheitszustand der Betroffenen wurden konsequent geheimgehalten. Zur Entschädigung gab es dafür steuerfreien Schnaps und wesentlich höhere Löhne als im DDR- Durchschnitt.

Gleichwohl war die Wismut AG immer wieder Stoff für sozialistisches Fortschrittspathos. „Glitzersteine für den Frieden“, dichtete ein Kumpel, und andere stellten das radioaktive Gestein zu Hause auf den Fernseher. In dem Film Die Sonnensucher, der in den 50er Jahren gedreht wurde und lange verboten war, kritisierte der verstorbene Regisseur Konrad Wolf erstmals die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und die Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften bei der Wismut.

Bis Ende diesen Jahres wird bei der Wismut weiterhin Uranerz abgebaut, allerdings in reduziertem Umfang. Danach wird sie als frisch gewendetes Unternehmen weiter bestehen, für die Sanierung der riesigen Umweltschäden sowie als Betrieb für Bergbautechnik. Über ihre Erinnerungen, ihre Erlebnisse unter und über Tage befragte Reimar Paul schriftlich und mündlich alte Uranbergleute. bim