Dennoch rührend

■ Die neue Platte der einst berühmten Fehlfarben

Bevor sie zu Kultfiguren wurden, waren Fehlfarben eine Band, wie es sie damals im Westen Deutschlands zu Hunderten gab: Sie spielten selten vor mehr als zwanzig zahlenden Gästen, als sie durch die einschlägigen Clubs im Rheinland, rund um ihre Heimatstadt Düsseldorf tingelten. Mit ihrer ersten Platte, Monarchie und Alltag, die 1980 erschien, brachten sie dann — mehr aus Versehen — das Lebensgefühl einer ganzen Generation auf den Punkt. Nichts schien treffender die deutsche Variante des no future auszudrücken als die Alltagslyrik von Stücken wie Paul ist tot mit dem endlos wiederholten Refrain „Was ich haben will, das krieg ich nicht, und was ich kriegen kann, ja, das gefällt mir nicht“. Und Ein Jahr („Es geht voran!“) wurde zur Hymne, die noch Jahre danach auf keiner Demonstration fehlen durfte.

Fehlfarben galten seitdem als Aushängeschild der Neuen Deutschen Welle — und scheiterten daran. Peter Hein, charismatischer Sänger und Texter der Band, verließ die Gruppe noch vor ihrer ersten größeren Tournee. Mit dem Gitarristen Thomas Schwebel an seiner Stelle brachten Fehlfarben dann 1981 ein mittelgroßes Desaster heraus: 33 Tage in Ketten wurde bald in den Grabbelkisten der Plattenläden verramscht. Nicht viel anders erging es der letzten LP, Glut und Asche, einem Stück funkigem Pop, das nach nochmaliger Umbesetzung 1983 auf den Markt kam. Fehlfarben lösten sich auf.

Acht Jahre später hat sich die Band in ihrer Originalbesetzung wiedergefunden. Die Platte des himmlischen Friedens heißt in Anspielung auf das Massaker von Peking vor zwei Jahren das grob betitelte Ergebnis. Ein Jahr hatte die Produktion der Platte benötigt, nachdem der Wahre Heino 1989 mit der Einladung nach Berlin zu seinem Festival „Tanz in den Mai“ (der Fehlfarben nicht nachkamen) den Stein ins Rollen gebracht hatte. Denn die fünf Musiker leben mittlerweile in alle Winde verstreut und gehen in Hamburg, Düsseldorf und Berlin ihrem Broterwerb als Kaufmännische Angestellte, Barkeeper oder Bauarbeiter nach.

Nicht zuletzt machen sie auch alle noch Musik: Peter Hein singt noch immer bei Family Five, Frank Fenstermacher ist bei Der Plan aus Köln geblieben; Uwe Bauer spielte unter anderem bei Element of Crime Schlagzeug und Michael Kemner zog über MauMau und Twenty Colours bis zu Farms and Factories. Thomas Schwebel schließlich verdient seinen Lebensunterhalt mit einem Sublabel von WEA, auf dem das neue Opus dann auch erschienen ist.

Mit Die Platte des himmlischen Friedens bemühen sich Fehlfarben anzuknüpfen, wo sie mit Monarchie und Alltag einst aufhörten. Der Versuch ist zum Scheitern verurteilt. Schließlich sind nicht nur die Musiker um zehn Jahre gealtert, auch die Welt, die da besungen wird, hat sich reichlich verändert. So möchten die traurigen Texte, die von zerbrochenen Lieben, vom Treibhauseffekt und dem Rückzug des einzelnen handeln, vergeblich das trotzige Dennoch von Monarchie und Alltag wiederholen.

Aber sie können sich trösten, denn auch keine andere deutsche Band hat je wieder die Qualität der Texte der ersten Fehlfarben-Platte erreicht. Zeilen wie „nennt mich von heut an einsam/ denn das wird mein name sein/ nennt mich von heut an einsam/ weil ich von heut an ohne sie bin“ können die trockene Poesie des Understatements von damals nicht mehr erreichen. Die Strophen rühren dennoch: weniger weil sie überzeugend wären, sondern wegen der Resignation, die aus dem Vergleich von Vergangenheit und Gegenwart spicht. Schwieriger noch ist die musikalische Umsetzung. Die Rhythmen des himmlischen Friedens bleiben mißlungenes Zitat der aggressiven Monotonie, die einst Peter Heins Sprechgesang die rechte Geltung verschafften. Hinzu gesellt sich ein Instrumentarium fast orchestraler Ausmaße, das den Anklängen an das Damals genau entgegenwirkt.

Claudia Wahjudi

Fehlfarben:

Die Platte des Himmlischen Friedens. Königshaus/WEA

9031-74576-1 U