Die hartnäckigen Träumer

■ Johannes Felsenstein inszeniert Puccinis „La Boheme“ in Bremerhaven

Giacomo Puccini hat den kleinen Gestalten, dem „Geschlecht der hartnäckigen Träumer“ im Paris des 19. Jahrhunderts, eine wunderbare Musik vermacht. Mit Puccinis „Boheme“, der ersten Premiere der neuen Spielzeit, zeigt das Bremerhavener Stadttheater, daß es auch kleineren Bühnen gelingen kann, daraus keine musikalische Courths- Mahler zu machen, sondern das Publikum mit der klaren Schönheit der Musik zu ergreifen.

Regisseur Felsenstein entwirft für die am Rand der Gesellschaft stehende Künstlergruppe ein Bild, das jeden dumpfen Naturalismus vermeidet: Die enge Mansarde mit großem Atelierfenster steht als Bühne auf der Bühne, das abstrakt gemalte Bühnebild (Ilse- Maria Feltz) dient, je verschieden ausgeleuchtet, allen vier Akten

Rodolfo, Komiker, rutscht vor Schreck über die tote Mimi von der Leiter

als Hintergrund.

Höhepunkt der Inszenierung ist der zweite Akt: Das Cafe Momus zeigt sich auf der Drehbühne erst von außen, dann von innen, hinten wuseln Kinder zwischen promenierendem Volk und Soldaten auf Parademarsch. Und vorn agiert eine feurige Musette, von Minako Futori (im samtroten Hosenanzug) frech gespielt und mit Glanz gesungen.

Die beiden letzten Akte läßt Felsenstein fast statisch spielen, er verzichtet, zugunsten der Musik, auf große Gesten. Das kommt dem Jerome Padorr (Rodolfo) sehr entgegen, der als Schauspieler etwas unbeholfen daherkommt: Gelegentlich hat sein Gestikulieren unfreiwillig komische Züge — auch am Ende, als er die tote Mimi sieht und vor Schreck von einer Leiter rutschen muß. Aber vielleicht paßt dieses schiefe Pathos zu den kleinen Leuten, die Felsenstein im vierten Akt im Keller frieren läßt, und die keinen Platz für die Darstellung großer Gefühle finden.

Jerome Padorr ist im übrigen ein sympathischer Rodolfo — mit einer etwas engen, aber in den Höhen angenehm weichen Stimme. Heidi Kleble ist nicht die Mimi der großen Opernbühne und als Darstellerin blaß, aber ihre Stimme enthält immerhin die Wärme und den Schmerz einer vom Tod gezeichneten Frau.

Viele gelungene Einfälle am Rande: ein Luftballonverkäufer auf Stelzen oder aber eine wandelnde Litfaßsäule, und am Zolltor kommen plötzlich Radfahrer vorbei. Diese „La Boheme“ ist eine verspielte und dennoch ganzabgerundete Inszenierung. hans happel