Der doppelte Grüttke

■ Olympia-Manager posiert als Kleiderständer

Berlin. Den Doppel-Axel kennen Freunde des Eiskunstlaufs schon lange. Die Leser eines deutschen Nachrichtenmagazins erlebten gestern den doppelten Grüttke. Als Männerfreund des Düsseldorfer Werbemanns Michael Schirner und Mitglied einer »munteren Seilschaft« verunglimpfte das Blatt den Berliner Olympia-Manager in einem ganzseitigen Artikel. Daß Grüttke außerdem »die Kunst« beherrscht, »seine eigene Persönlichkeit auch in der Mode wirkungsvoll zu unterstreichen« erfuhren die 'Spiegel‘-Leser 153 Seiten weiter auf einer Doppelseite. Dort posierte der Olympia-Chef in einer Anzeige des Anzug-Herstellers »Windsor«: den Blick dynamisch nach oben gerichtet, die rechte Hand zupackend erhoben.

In Sack und Asche, so meinten viele, müßte der oberste Olympia- Werber der Stadt nach den jüngsten Pleiten eigentlich durch die Straßen schleichen. Stattdessen streckte er die Brust raus, streifte den »Zweireiher aus reiner Schurwolle« drüber und präsentierte das »Vollzwirn-Hemd«. Die FDP drehte dem Manager aus der »Krawatte aus edler Naturseide« gestern prompt einen Strick. »Grüttke nur noch Dressman?«, fragten die Liberalen und mokierten sich, daß der Manager »unter der Schweizer Flagge« auf dem Werbefoto posierte, anstatt »mit seiner ganzen Kraft« für Berlin zu werben.

Der Grund dieser freidemokratischen Schweizer-Feindlichkeit blieb gestern ebenso offen wie die Frage, ob Grüttke auch den IOC- Mitgliedern im Grandhotel im »Windsor«-Zwirn entgegentrat — oder ob er im vollsynthetischen Jogging-Anzug von »adidas« hinterherhechelte. Den kommerziellen Kern des olympischen Gedankens hat er auf alle Fälle richtig verstanden. Was der Steffi ihre Nudel, ist dem Grüttke halt sein Zwirn. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Und sei er aus »reiner Schurwolle«. Hans-Martin Tillack