„Det beste is de Fantasie“

Wolfgang Rademann — Berliner Fernsehserien-Produzent, der mit „Schwarzwaldklinik“ und „Traumschiff“ den Geschmack der Massen traf  ■ Von Christine Böer

„Die Zeichnung ist mir wurscht, wat Se schreiben, is mir nich janz so ejal! Jottseidank liest mein Publikum nicht die taz, und die taz-Leser sehen nicht meine Filme an — also, da nehmen wa uns nischt!“ Der Mann, der so spricht, lebt ohne Frau, Kind, Hund, Auto („Ick hab' überhaupt keen' Führerschein“), unter anderem aber mit vier Videorekordern, zwei Fernsehern und zwei Rasensprengern in einem Haus im Berliner Nobelvorort Nikolassee und ist Serienfilmproduzent.

Der 56jährige Wolfgang Rademann stammt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, lernte Schriftsetzer und betätigte sich als Lokal- und Polizeireporter für die Ostberliner 'BZ am Abend‘, bis er 1959 von Ost- nach Westberlin „rübermachte“. Bei 'Stern‘, 'Quick‘, 'Bravo‘ und 'Spiegel‘ holte er sich dann den Schliff des „goldenen Westens“ und brachte seine reichen Erfahrungen in Sachen Publicity nunmehr als Pressechef von Catharina Valente, Pierre Brice, Peter Alexander an den Mann beziehungsweise an die Frau.

Mit seinem Instinkt für den Geschmack der Masse gelang ihm 1969 mit einer Peter-Alexander-Show der Durchbruch als Show-Arrangeur. „Warum nehmen Se det nich uff Tonband uff, det wär einfacher für Sie“, sagt Rademacher plötzlich ungeduldig in seine Erinnerungen hinein. „Na ja, ick bin jenauso stur wie Sie, ick tippe meene Briefe an die Intendanten ooch noch mit zwei Fingern!“ Der Umtriebige war ab 1969 voll im Unterhaltungsgeschäft und landete im ganzen etwa 310 Sendungen mit Anneliese Rothenberger, Peter Alexander, Gritt Böttcher, Wencke Myhre, Lilli Palmer und Harald Juhnke, um nur einige zu nennen. „Die Themen waren fast alle uff meenem Mist jewachsen. Ick und die Leute sind ja so ziemlich identisch.“

Schon seit geraumer Weile spukte ihm „det Thema Halbjott in Weiß“ im Kopf herum. Er wußte: „Die Krankheit is eigentlich 'n unerschöpflichet Ur-Thema für den Menschen.“ Aber keiner wollte fernsehgerecht anbeißen. Da erbarmte er sich schließlich selber. Nach zwei Jahren Vorbeitung und weiteren zwei Jahren Drehzeit flimmerten 1985 die ersten Folgen der Schwarzwaldklinik über den Bildschirm. Der Produzent: „Die Kritiker hatten Schaum vorm Mund, aba det Volk hat jejubelt. Det ,Traumschiff‘ vorher war ja ooch nich schlecht jewesen.“ Das ZDF brachte 70 Folgen der Weißkittelserie über den Sender. So wie der Markt der Groschenromane seine Zulieferer hat, so bestellt Rademann das Feld der Unterhaltungselektronik.

Rademann, der „keene Ahnung von klassischer Musik“ hat und „nich weeß, wat Goethe is“, der „Kinder und Tiere nur im Film liebt“, informiert sich „wie verrückt“, liest am Tag fünf Zeitungen, in der Woche 22 Illustrierte und weilt von sieben Tagen in der Woche fünf auf den Flugplätzen dieser Welt. Gestrauchelte, Schwache, Verlierertypen interessieren ihn nicht. Die Wirklichkeit zeigen? „Det beste is immer de Fantasie — jeder Krimiautor wird Ihnen sagen, dat det, wat wirklich passiert, langweilig is jejen dat, wat se sich ausdenken. Man muß det Leben manipulieren — im Film!“ Hier lächelt er sein breites Dickhäuter-Lächeln und findet, daß die in die Ferne Sehenden nach dem schlechten Wetter und den Nachrichten nicht auch noch wahres Nahes brauchen: „Drogensüchtige müssen nich och noch uff mee'm ,Traumschiff‘ rumtorkeln.“ Aids und Schwule in der Schwarzwaldklinik kommen nicht vor.

„Eener, der so ne Sendung macht wie icke, is natürlich konservativ. Woher woll'n Se eigentlich wissen, daß mir Kohl nich noch viel zu links is? Aba, det is jetzt als Jedankenspiel jemeint, ja?“ Er hat irgendwann in einer Sendung mal etwas „druff jemacht“, eine Vergewaltigung zu drastisch darstellen lassen. Und da hat er dann selbst einen drauf gekriegt.

Er, der sich „noch nicht mal eine Stulle schmieren kann“, arbeitet zur Zeit an vier Projekten. Eines davon ist ein Psychothriller, den er mit Judy Winter in Bali abdreht. Frauen müssen für Rademann Humor und Busen haben: „An etwas muß ick mir ja festhalten. So, nu hören Se aba uff, Se haben schon viel zu vülle für Ihre paar Zeilen mit Ihrer Tatze da.“