Vorurteile-betr.: "Interviews gibt's nur um Mitternacht" (Fernsehen) von Hans-Hermann Kotte, taz vom 16.8.91

betr.: „Interviews gibt's nur um Mitternacht“ (Fernsehen) von Hans-Hermann Kotte,

taz vom 16.8.91

Hans-Hermann Kotte mag keinen „Vierfarb“-Druck, weil der ist bei ihm gleichbedeutend mit „Zeitgeist“, „schönen, jungen, schnellen Kosmopoliten“ und plumper „Anbiederei“ — in einem Wort: mit einem Blatt wie 'Prinz‘. Dabei hätte Kotte gar nicht so weit ausholen müssen, um seine 100 Prozent klischeegesättigten Denkschablonen mit Fremdmaterial zu untermauern. Zumindest die zeitgeistige Anbiederei bei den „schönen Metropolenbewohnern“ wird auch im eigenen Haus intensiv betrieben. In der neuesten Ausgabe des Werbe-Blattes W&V schaltete die taz eine Anzeige, die in der Marketingbranche (und offensichtlich nicht nur dort!) mit einem weitverbreiteten Vorurteil aufräumen möchte: „Die rolexträgerInnen. Die leserInnen der tageszeitung sind anders, als sie vielleicht glauben...“

Mag sein, daß Kotte über die ausgeklügelten Werbestrategien der eigenen Verlagsspitze nicht ausreichend informiert ist, mag sein, daß ihm überhaupt entgangen ist, daß die heutige taz-LeserIn zwischen Karriere-Planung und Greenpeace-Engagement ein weitaus unverkrampfteres Verhältnis zur Metropolenkultur hat, als es sich manch taz-RedakteurInnen immer noch wünschen. Dann sollte er aber doch einen Fehler nicht machen: so nebenbei auch noch für ein Berliner Monatsmagazin zu schreiben, das sich fast ausschließlich aus Anzeigen finanziert und in der Recherche so mies ist, daß demnächst auch noch der letzte redaktionelle Platz für Gegendarstellungen geopfert zu werden droht. Karl Hermann, Redakteur 'Prinz‘, Politik, (West-)Berlin