Wahlsieg für Hongkongs Demokraten

 ■ Aus Hongkong S. Vines

Höher als erwartet fiel der Sieg für die liberalen prodemokratischen Kandidaten bei den ersten freien und allgemeinen Wahlen für das Hongkonger Parlament aus. Die Liberalen, die sowohl die Kolonialregierung als auch die chinesische Regierung scharf kritisieren, errangen 16 der 18 Sitze, die bei diesen Wahlen zu besetzen waren, sie gewannen etwa zwei Drittel der Stimmen. Davon erzielten die Vereinigten Demokraten 12 Sitze. Ihr Vorsitzender Martin Lee erreichte die höchste Stimmenzahl aller Kandidaten.

Nur einer der Gewählten läßt sich als konservativ bezeichnen; ein weiterer ist ein Unabhängiger, der sich zeitweise den Liberalen angeschlossen hatte. Das Wahlergebnis stellt eine vernichtende Niederlage für die Kandidaten der von der Wirtschaft unterstützten konservativen Liberaldemokratischen Partei dar. Keinen einzigen Sitz errangen jene, die als VertreterInnen einer prochinesischen Politik aufgetreten waren.

Ist diese Wahl auch von historischer Bedeutung, weil es der erste Schritt zu einem demokratischeren System ist, standen jedoch nur weniger als ein Drittel der Mitglieder der sechzigköpfigen Gesetzgebungsrats zur Abstimmung. 21 weitere waren am Donnerstag von wenigen Wählern als Vertreter von Berufsgruppen und Verbänden bestimmt worden, den Rest ernennt der Gouverneur.

Die Vereinigten Demokraten werden heute den Gouverneur drängen, daß er den Liberalen entsprechend ihrem Wahlerfolg Sitze zugesteht. Sie werden auch eine Mehrheit im Exekutivrat — eine Art Kabinett — verlangen.

Martin Lee sagte, seine Partei habe „ihr Mandat vom Volke erhalten“, und der Gouverneur könne nur dann „eine Regierung für das Volk und nicht gegen das Volk“ bilden, wenn er diesen Forderungen nachgebe. Eine gewisse Enttäuschung bereitete die geringe Wahlbeteiligung von 39 Prozent.

Der britische Außenminister Douglas Hurd appellierte an China, mit den Wahlsiegern Kontakt aufzunehmen uns sich ins Benehmen zu setzen. Großbritannien hat sich jedoch nicht verpflichtet, in Peking über ein schnelleres Tempo der demokratischen Entwicklung zu verhandeln. Im vergangenen Jahr waren beide Länder übereingekommen, die Zahl der in öffentlichen Wahlen besetzten Parlamentssitze vor der chinesischen Machtübernahme im Jahre 1997 zu beschränken.

Die chinesische Regierung hat zu den Wahlen keinen offiziellen Kommentar abgegeben, dürfte aber über den Erfolg einer Partei, die sie als „subversiv“ betrachtet, bestürzt sein. Auch die Regierung von Hongkong hat wenig Grund zum Feiern, da einige ihrer offensten und lautesten Kritiker nun eine neue und offizielle Plattform errungen haben.