UdSSR darf zur IWF-Jahrestagung

In Dresden berieten die G-7-Delegationen über Hilfen für die Sowjetunion — und blieben schweigsam  ■ Von der Hotelbar Donata Riedel

Die Sowjetunion darf am Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank ab 8. Oktober in Bangkok teilnehmen. Darauf haben sich die Delegationen der sieben reichsten Industriestaaten (G-7) am Wochenende in Dresden geeinigt. Ansonsten herrschte informationsmäßige Funkstelle: Bis auf die Einladung an die UdSSR hörten die in der Hotelbar wartenden JournalistInnen aus aller Welt auf alle Fragen lediglich ein „no comment“.

Die stellvertretenden Finanzminister der USA, Japans, der Bundesrepublik, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Kanadas hatten sich zur Vorbereitung der IWF-Tagung ausgerechnet im „Saal Leningrad“ des Hotels Dresdner Hof verschanzt. Weiterhin offen ist nun, ob die Sowjetunion bei IWF und Weltbank Vollmitglied werden darf und so ein Recht auf Kredite beider Organisationen bekäme. Darüber können im Prinzip die G-7-Länder allein, ohne die anderen IWF-Mitgliedsstaaten, entscheiden: Weil sie das meiste Geld in den Fonds einzahlen, verfügen sie über die Stimmenmehrheit.

Anders als noch im Juli beim Wirtschaftsgipfel in London scheint nach dem Putschversuch die US-Regierung im Prinzip zu finanzieller Hilfe bereit zu sein, um den Übergang zur Marktwirtschaft zu erleichtern. „Wahrscheinlich überlegen die jetzt, ob sie lumpige fünf Milliarden Dollar auf fünf oder sieben Jahre strecken“, frozzelte ein US-amerikanischer Journalist.

Wer aber wird für den Empfang von Hilfsgeldern überhaupt zuständig sein: die Zentralregierung in Moskau oder die Einzelrepubliken? Und wer wiederum ist für die Rückzahlung der 64 Milliarden Dollar verantwortlich zu machen, mit denen die UdSSR im Westen in der Kreide steht? Zumindest die deutsche Bundesregierung, die 37 Milliarden Mark Bankkredite und 15 Milliarden Mark aus dem Transferrubelhandel der DDR verbürgt, drängt auf Klärung dieser Frage.

Bei den deutschen Geschäftsbanken sieht man die Sowjetschulden allerdings gelassener. In den vergangenen sechs Monaten haben nach Aussagen eines mit Sicherheit wohlinformierten Managers der Dresdner Bank die privaten Geldinstitute neue Kredite über zehn Milliarden Mark an die Sowjetunion vergeben. „Ich sehe die Altschulden nicht als großes Problem“, sagte der Bankier. Die Republiken müßten für diese Schulden bloß weiterhin eine gemeinsame Verwaltung unterhalten. Allerdings: 95 Prozent der neuen privaten Bankkredite werden durch die Hermesversicherung des Bundes abgesichert. Und anders als Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) könnten die großen Privatbanken den Verlust der restlichen fünf Prozent ziemlich locker wegstecken.

Ob die G-7 sich in Dresden auf ein gemeinsames Vorgehen gegenüber der Sowjetunion und ihren Republiken geeinigt haben, konnten die JournalistInnen nicht erfahren. So blühte die Spekulation in der Hotelbar. Der gewöhnlich gut unterrichtete Redakteur einer deutschen Wirtschafts-Tageszeitung war sicher, daß sich die G-7-Finanzminister noch vor Bangkok in Moskau mit Gorbatschow treffen würden. Ein italienischer Kollege hielt das angesichts der ministerialen Terminkalender für unwahrscheinlich: Wenn US-Finanzminister Nicholas Brady heute nach Moskau fliegt und Theo Waigel am Sonntag, dann würde doch Brady sicher nicht vier Tage bloß so in Moskau herumhängen...

Ein dritter Journalist bastelte gar an einer Verschwörungstheorie, nach der die US-Amerikaner die Deutschen ausbooten wollen: Erst würde die US-Regierung die Sowjets als schlechte Schuldner darstellen, bis Bonn auf internationalem Polit- Parkett wegen der immer neuen Zahlungen in das Faß ohne Boden dumm dastünde. Dann würde die US-Regierung einen klugen Sanierungsplan für die Sowjetwirtschaft aus der Tasche ziehen und den Deutschen damit den Rang eins auf der Moskauer Beliebtheitsskala ablaufen. Und wenn es dann ans Geschäftemachen ginge, würden US-Firmen das Rennen vor den Deutschen machen... Bis zum Treffen in Bangkok darf weiter spekuliert werden.