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Moderner Hexenwahn

Im Jahre 1692 brach in der kleinen Küstenstadt Salem im heutigen US-Bundesstaat Massachusetts eine Massenpsychose aus: Hexenwahn. Mehr als 200 Menschen, die meisten davon Frauen, wurden angeklagt, 19 gehängt, eine Verurteilte wurde zu Tode gesteinigt, und drei starben in der Haft.

Im Gegensatz zu Europa, wo jahrhundertelang christliche Eiferer mit Billigung der Kirche unzählige Frauen folterten und bei lebendigem Leib verbrannten, schämt sich Salem nicht seiner Vergangenheit, im Gegenteil, man tut alles, um diesen dunklen Punkt in der Geschichte der Stadt nicht zu vergessen. Schon in diesem Monat beginnen Symposien, Theateraufführungen und Ausstellungen als Einleitung für die ein Jahr lang dauernden Hexenfeiern.

Salem nennt sich selbst „Hexenstadt“ und lockt mit diesem Titel Scharen von Touristen an. Die einheimischen Polizisten tragen Abbildungen einer auf einem Besen reitenden Hexe auf den Uniformen, und die Zeitung 'Salem Evening News‘ führt dasselbe Emblem auf dem Titelblatt. Im kommenden Jahr werden mehr als eine Million Besucher erwartet. Die Hauptattraktion ist das Hexenmuseum, das eigentlich eine Multi- Media-Schau ist. Heute werden in Salem natürlich keine Hexen mehr hingerichtet, heute sind sie integriert. Mehr als 2.400 der 38.000 Einwohner sind Mitglieder einer Hexenvereinigung, die sich als Religion versteht und mit verrückten Riten Zauber für gute Zwecke nutzen will. „Wir opfern keine Tiere oder Menschen“, sagt Laurie Cabot, die offizielle „Hexe von Salem“, „wir trinken auch kein Blut und essen keine kleinen Kinder.“ Warum auch, es sind ja genug Touristen da. Hexe Cabot zum Beispiel führt einen gutgehenden Laden mit Utensilien fürs Dämonengewerbe.

In England sorgt gerade eine männliche Hexe für einigen Wirbel. Chris Bray, britischer Hexenmeister und aktives Mitglied eines Vereins zur Verteidigung der okkulten Wissenschaften, hat sich beim amtlichen Verband der Sozialarbeiter um eine Stelle beworben. Damit will er zeigen, daß Hexen dafür da sind, Gutes zu tun. Im Gegensatz zur Volksmeinung seien sie nicht die Reinkarnation des Teufels, sagte Mr. Bray, Mitglied des „Bundes zur Unterstützung der Hexenlehrlinge“, der gegründet wurde, um der feindlichen Stimmung gegenüber der Hexerei in der Gesellschaft entgegenzutreten.

Der britische Sozialarbeiterverband kündigte an, die Bewerbung des Hexenmeisters zu prüfen. Karl Wegmann

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