Wg. Überstunden geschlossen!

■ Nach permanenter Überlastung: Das Bremer Theater zupft an der Notbremse / Spielplan korrigiert

Sechs Tage lang wird im Januar unser Theater zugesperrt: keine Vorstellungen, nix, nur der Probenbetrieb geht weiter hinter Schloß und Riegel. Der Grund der unverhofften Spielpause: Überstunden! Ein „gigantischer Berg“ aus lauter Überstunden sei abzutragen, sagte gestern vor der Presse Intendant Richter. Entstanden sei der Berg im Bemühen, die letzte Spielzeit so eben noch hinzukriegen. Erstens hat es, sagt Richter, elend lang gedauert, die neue Bühnentechnik am Goetheplatz anzuwerfen, zweitens funktioniert sie selbst jetzt nicht ganz, wie sie soll: „Wir spielen immer noch ein bißchen Feuerwehrkommando!“

Sonst will das Theater spielen, was es versprochen hat, bloß eine Produktion fällt wg. Umbaufolgelasten aus: „Louise“, der „musikalische Roman in vier Akten“ von dem späten Romantiker Gustave Charpentier (geplant ab 19.1.92). Stattdessen war das Theater am Münchner Gärtnerplatz einkaufen und hat von dort „auf mehrfach geäußerten Wunsch“ ausgerechnet eine Operette mitgebracht: den Wirtshaus- Kracher „Im Weißen Rössl“, inszeniert von dem erprobten Lachsack Werner Schneyder. Ob mit

hierhin bitte den

Rocker

Doch nicht als Mohr: A. FricsayF: Oberheide

den Lastwagen voller Kostüme und Kulissen dann Schneyder selber angereist kommt, um seine Fassung einzustudieren, ist noch nicht bekannt.

Kresniks Tanztheater „Mörder Woyzeck“ dagegen muß auf einen unbestimmten Termin im nächsten Jahr geschoben werden. Das Ensemble, einziger Exportschlager des Theaters, sieht sich wegen zahlreicher Gastspiele nicht in der Lage, im kommenden Oktober schon, wie geplant, die Premiere abzuhalten. Außerdem hat es bei Tänzers so viele Wechsel gegeben, daß die alten Stücke zeitraubend neu einstudiert werden müssen.

Auch die Abt. Schauspiel meldet Neues: Das Vergnügen, den Oberspielleiter und alten Buben Andras Fricsay Kali Son einmal mit Kohlenschmiere im Gesicht zu erleben, wird uns nun doch nicht zuteil. Die Produktion des „Othello“, in der Fricsay die Hauptrolle hatte spielen wollen, fällt aus, desgleichen das assoziierte Stück „Otello darf nicht sterben“ von Ken Ludwig. Mario Andersen, ursprünglich als Regisseur vorgesehen, ist schon im Frühjahr wegen Zwistigkeiten mit dem Ensemble aus allen Verträgen mit dem Theater ausgeschieden.

Statt den Othello zu spielen, wird Fricsay nun selber einen frühen Brecht auf die Bühne bringen: „Im Dickicht der Städte“ ist vielleicht gerade das rechte Stück in einer Zeit, wo der Dschungel allmählich in die Metropolen vordringt.

Das leidgeprüfte MOKS-Theater hingegen meldet Durchhaltewillen. Zwar hat es noch immer keine eigenen Räume, weil sich der Umbau des Brauhauses wie üblich dahinschleppt — es wird aber vier Premieren geben, vorerst im Brauhauskeller. Die erste: „Haltestelle Irgendwo“ von Suzanne van Lohuizen am 26. Oktober.

Ebenfalls dem jungen Publikum wird vor Weihnachten ein Stück von einem einheimischen Autoren kredenzt: Gotthard Kuppel, entlaufener Arzt, jetzt Theatermacher, inszeniert seine „Wahre Geschichte vom Daumenlutscher“ selber im Schauspielhaus (ab 30. November). Es ist dies ein Stück, wo schießwütige Polizisten hinter gestandenen Schnullerdieben her sind und schließlich in einem Stadttheater wie dem unseren mit viel Bühnenzauber und Trara zur Besinnung gebracht werden. Eine schöne Geschichte also von einem Theater, welches wirkt. schak