EUROFACETTEN
: Zuviele Jäger — zuwenig Vögel

■ Italien drückt sich vor einer politischen Entscheidung

Sie wurde bereits im Mittelalter betrieben. Im 18. Jahrhundert schafften die Republik von Venezien und das Großherzogtum der Toskana sie ab, durch eine ganze Reihe dringlicher Erlasse. Die Rede ist von der Voglerei, dem Fang von Vögeln durch Netze. Der historische Rückgriff ist kein Zufall: Auch das neue Gesetz über die Jagd, das zur Zeit im italienischen Parlament beraten wird, bezieht sich darauf. Das Gesetz sieht vor, daß der Fang lebender Vögel von örtlichen, regionalen und landesweiten öffentlichen Einrichtungen betrieben wird und nicht mehr von privaten wie bisher. Die gefangenen Vögel werden daraufhin von Jägern gekauft, die sie in Käfigen nahe ihrer Jagdstände aufstellen. Der Gesang der Vögel zieht andere an, die dadurch in den Bereich der Flinte geraten und abgeschossen werden.

Einige meinen, die Übertragung des Vogelfangs auf offizielle Einrichtungen sei eine Verbesserung. Letzlich heißt das jedoch nur, daß in Italien der Staat selbst zum Vogelfänger wird.

Der Vogelfang ist einer der negativen Aspekte der Jagd in Italien, vielleicht der im Ausland bekannteste, denn er betrifft die Zugvögel, die gesamteuropäisches Gut sind. In den vergangenen Jahren sind wiederholt deutsche Umweltschützer nach Italien gekommen, um mit unseren Freiwilligen an den gewaltfreien Protestaktionen gegen die „Roccoli“, die Fangeinrichtungen, teilzunehmen. Dies sind idyllische Orte, an denen auf lieblichen Hügelchen zwischen Bäumen die tödlichen Netze gespannt werden.

Und dabei ist der Vogelfang, der vor allem im Friaul praktiziert wird, wo viele Zugvögel durchfliegen, in der Berner Konvention verboten worden, die Italien 1981 unterschrieben hat. Und ein Gerichtsurteil des italienischen Verfassungsgerichts vom vergangenen Jahr hat diese Art Massenfang für illegal erklärt.

Der Vogelfang ist ein Beweis dafür, wie stark in Italien das Problem der Jagd zu einem Tabuthema geworden ist. Das zur Zeit gültige Gesetz geht auf das Jahr 1977 zurück und zeigt alle Anzeichen seines Alters. Das bestätigen auch die Jägervereinigungen.

Doch wenn es darum geht, von Worten zu Taten überzugehen, wechselt die Musik. Seit drei Legislaturperioden ist immer dasselbe zu beobachten. Das Parlament beginnt die Debatte über die Reform, die Parteien zerreißen sich gegenseitig, und dann wird alles auf die folgende Legislaturperiode verschoben. Wird dies auch mit dem Jagdgesetz geschehen, über das zur Zeit beraten wird?

Nach dem Referendum im Juni vergangenen Jahres, das die notwendige Stimmzahl nicht erreichte, nahmen wir Grünen das mühsame Gespräch mit den anderen Parteien wieder auf, die nichts von einem neuen Gesetz wissen wollten. Gefolgt ist ein Jahr voller recht konfliktträchtiger Arbeit im Parlament, um den Gesetzestext aufzusetzen. Es ist ein winziges, man kann ruhig sagen mittelmäßiges Reformgesetz mit vielen negativen Punkten bezüglich des Vogelfangs, jedoch auch einigen Fortschritten für die Fauna. Dazu gehört die Jagdzeit. Sie gilt nicht mehr vom 18. August bis zum 10. März sondern vom dritten Sonntag im September bis zum 31. Januar. Es darf nicht vergessen werden, daß Italien im vergangenen Januar vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg wegen der Überlänge seiner Jagdzeit verurteilt worden ist.

Doch obwohl dieses Gesetz für uns Grüne absolut unbefriedigend ist, erscheint es vielen Senatoren als zu weitgehend. Und so haben sie einen Regen von Änderungsanträgen angekündigt: Es ist wahrscheinlich, daß der Text in der Versenkung verschwindet. Deshalb ist die Idee, den Weg der Volksbefragung erneut zu beschreiten, eine gangbare Hypothese, sogar fast eine zwangsläufige Entscheidung, jedenfalls solange sich die politischen Kräfte nicht zu einer Umkehr entschließen.

In Italien ist somit die Konfrontation zwischen Jägern und Jagdgegnern heftig, auch wegen des hartnäckigen Widerstands der politischen Welt, die über Jahre hinweg diejenigen geschützt hat, die schießen — oder genauer: deren Wählerstimmen. Angesichts der inzwischen zahlenmäßig ziemlich zurückgegangenen Fauna ist ein rigoroses Gesetz absolut notwendig.

In erster Linie müßte die Anzahl der Wildtiere festgestellt werden, um darauf basierend zu errechnen, welche Anzahl Waidtiere umweltverträglich ist. Dies würde unvermeidlich zu einer Verringerung des augenblicklich 1.400.000 Mitglieder zählenden Jägerheeres führen. Darüber hinaus wäre es notwendig, zahlreiche, heute zur Jagd freigegebenen Arten zu schützen, die europäischen Richtlinien über den Erhalt der wilden Vögel zu respektieren, die seit 1979 verletzt werden, gegen die pathologische und unverschämte Wilderei harte Strafen zu verhängen, ernsthafte Kontrollen in den betroffenen Regionen einzuführen und natürlich den Vogelfang abzuschaffen.

Es ist eine undankbare Schlacht vor allem für diejenigen, die wie wir Grünen der Ansicht sind, daß die Jagd in den industrialisierten Ländern, wo sie nicht zum Überleben notwendig ist, ein Anachronismus ist. Daß sie in wissenschaftlicher Hinsicht das Überleben von Arten gefährdet, die bereits durch Insektenvernichtungsmittel und die Zerstörung ihrer Siedlungsgebiete negativ betroffen sind.

Unsere Ablehnung der Jagd beruht jedoch in erster Linie auf moralischen Prinzipien: Wir halten es für ungerecht, aus Vergnügen zu töten. Wir anerkennen das Lebensrecht aller Arten. Die Jagd muß also abgeschafft werden. Heute ist das ein Traum. Wir werden jedoch weiterarbeiten für eine Zukunft ohne Gewalt gegen die (anderen) Tiere. Annamaria Trocacci

Die Autorin ist Abgeordnete der italienischen Grünen