Stresemannstraße100

Die Welt ist zu. Geh vor die Tür, die Einbahntreppe hinunter, du kommst nicht weit. Der Weg wird dir versperrt, das Wort ermordet von rasenden Lastern. Chaussee mit Geschossen. Schlußlöcher in der Autokette, Balancierwege auf dem Kantstein. Häuserbarrikade. Erde weg, abgeschottert, betonversiegelt, Loch um den Baum, Zaun ums Loch, Gasluft schnappen, Luftloch gucken, Himmelgrau statt Himmelblau, zu zu, Du du, ganz zu.

Poren auf, Augen auf, Nasenlöcher auf — du rund, warm und nun den Schritt zur Tür hinaus...?! ZU! Augen, Hände, Nasen, Münder: dicht, vertikal versäult, einbeinig verhirnt, du kommst nicht weiter. Bleib sitzen, angenagelt, abgenabelt, oben in deiner Wohnwabe. Es gibt nur einen Weg, den Rückzug.

Wie es heransirrt... Platz da! Jetzt zerschlägt es das Porzellan in meinen Ohren, die Stücke fegt es nicht zusammen, läßt sie liegen, die Scherben, Trümmer, Splitter, Splitt — in meinen Ohren gibt's kein Porzellan mehr.

Jeden Tag darf es ein Auto mehr sein, jahrelang, jahrzehntelang. Wie sie es wagen, mir vier Fahrspuren vors Fenster zu legen und wie sie gewinnen! Straßenplaner planen Straßen, bis die Planer straßen und die Straßen planen. Einmal Straßen geplant, immer Straßen geplant. Kein Straßenplaner käme auf die Idee, keine Straße zu planen. Die Welt hat es zu keinem Milliardenfüßler gebracht, nur zu Milliarden Füßen und Du bist einer davon, auf die gestellt, die Fremden sind Legion.

Wie sollst Du den andern erreichen. Edelsteinzeit. Jeder einzelne ein Monolith, unberührt vom Nächsten. Der guckt aus keinem Fenster. Selbst wenn. Sieht er dich, zieht er sich zurück in seine Höhle, Hölle, Solocaust, in seine einzelne Einzelle, Einzelheit, Einzelhaftigkeit, Einzigartigkeit, seine einzige Artigkeit. Häng die Zunge aus dem Fenster, sprich ihn an, da ruft er... die Polizei! Mit Recht. Warum ihn ansehen, ihn, der heute nicht gesehen werden will. Laß es bleiben, starr nicht rüber, geh fremd in die Fremde, bloß nicht auf den fremden Balkon dort treten!

Zu'e Welt, zugeschlagen, zugesargt, mit Straßen zugerichtet, mit Worten zugeschüttet. So ist nicht zu lesen, nicht zu schreiben. Der Verkehr fädelt sich in die Ohren, in den Sinn... Mein Kopf: ein Verkehrsknotenpunkt! Frederike Frei, Hamburg, (war Anwohnerin und hatte dort den Text geschrieben)