GASTKOMMENTAR
: Wessen Alleingang?

■ Die Differenzen zwischen Bonn und Den Haag in der Jugoslawien-Frage

Wer versucht, die offenkundigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Niederlanden und Deutschland in der Frage einer Friedenslösung für Jugoslawien zu erklären, muß sich hüten, nicht in den Kreis von traditionellen Ressentiments zu geraten, die auf das Verhältnis beider Staaten zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges zurückgehen. Denn immer wieder stößt man nicht nur in den Niederlanden auf uralte Ressentiments und Meinungen, die Deutschlands Jugoslawien-Politik auf Großmachtgelüste und „Viertes Reich“ reduzieren.

Brisant werden solcherlei Anfeindungen, wenn sie die gemeinsame rationale Entscheidungssuche in einer derart explosiven Situation wie der in Jugoslawien belasten.

Von Anfang an sah es so aus, als ob die deutsche Regierung die formelle Anerkennung Kroatiens und Sloweniens vorantrieb, während man sich in den anderen EG-Hauptstädten mehrheitlich von zwei wichtigen Elementen des KSZE-Reglements leiten ließ: keine Grenzkorrekturen durch Gewalt — das wäre gegen Serbien gerichtet —, aber auch keine einseitigen Unabhängigkeitserklärungen Kroatiens und Sloweniens. Es geht nicht, wie manche deutsche Zeitungen dieser Tage meldeten, um die Parteinahme van den Broeks — und seiner britischen und französischen Kollegen! — für Serbien. Es geht um die Position, die besagt, wir können die Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens anerkennen, aber dann auf dem Wege von Verhandlungen mit den anderen Republiken.

Die kühlen Reaktionen auf die Vorschläge der deutschen Außenpolitik sollen verdeutlichen, daß die deutsche Regierung sich daran gewöhnen sollte, im neuen Europa den EG-Partnern nicht einfach mittels Diktat ihre Politik aufzuzwingen. An der Haltung der anderen EG-Länder mag sich die deutsche Öffentlichkeit stoßen. Von einem „Alleingang“ der Niederlande zu sprechen, befremdet allerdings hierzulande. Immerhin vollzieht van den Broek diesen „Alleingang“ zusammen mit der Mehrheit der Westeuropäer.

Nicht die Vergangenheit also spielt eine Rolle bei den Differenzen zwischen Bonn und Den Haag. Eine gemeinsame politische Zukunft der EG wird dadurch erschwert, daß schon ein nichtdeutscher Standpunkt als Alleingang gewertet wird. Hinzu kommt noch die Tatsache, daß all diejenigen, die in Deutschland die sofortige Anerkennung Sloweniens und Kroatiens fordern, hartnäckig der Frage aus dem Wege gehen, ob dadurch in Kroatien auch nur ein Schuß weniger fallen würde. Rob Meines

Der Autor ist Redakteur der Rotterdamer Zeitung 'NRC-Handelsblad‘