Der Bürger als lästiges Verkehrshindernis

Berlin (taz) — Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) wünscht sich einen Planungsstaat ohne Bürger — das jedenfalls ist das Ergebnis einer Studie zum Beschleunigungsgesetz, die drei Verwaltungsrechtler im Auftrag von Greenpeace gestern in Bonn vorstellten. Der Gesetzentwurf stehe sinnenfällig für eine Abkehr von einer „demokratischen, bürgernahen Planungskultur“, kritisierte Gutachter Klaus- Martin Groth. Statt dessen setze die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf auf die obrigkeitsstaatliche Abschottung der Verwaltung. Bürger, Öffentlichkeit und Naturschutzverbände würden ausgebootet.

Erhebliche verfassungrechtliche Bedenken bestehen nach dem Gutachten gegen zentrale Bestimmungen in mehr als der Hälfte der Gesetzesparagraphen. Der Verzicht auf die Bürgerbeteiligung bei Straßenplanungen, die ohne Enteignung möglich seien, richtete beispielsweise erheblichen rechtspolitischen Flurschaden an. Im Falle von Flughafenerweiterungen sei dieser Verzicht glatt verfassungswidrig. Letztlich würden die mangelhaften Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger nur zu mehr Fehlplanungen führen, die Menschen und Natur schadeten.

In Bonn diskutierten unterdessen die Bundestagsausschüsse für Verkehr, Umwelt und Recht die Vorlage von Krause. Der Verkehrsausschuß beschloß auf Drängen der SPD immerhin eine ganztägige Sitzung, an der neben den Abgeordneten des Umwelt- und Rechtsausschusses auch einige noch unbenannte Experten zugegen sein sollen. Eine öffentliche Expertenanhörung der Ausschüsse, wie von den Grünen/Bündnis 90 gefordert, lehnte die SPD aber ab. Bis zu einer solchen Anhörung würden zwei Monate ins Land gehen. Begründet wurde die Ablehnung auch damit, daß in einer förmlichen Expertenanhörung die Mehrheit der Experten ohnehin von Krauses Regierungskoalition gestellt werde — eine Begründung, mit der jede Anhörung im Bundestag abgelehnt werden könnte. Die Abgeordneten von Bündnis90/ Grüne Werner Schulz und Klaus-Dieter Feige vermuteten, daß sich die SPD-Fraktion von der Schallgeschwindigkeit der Koalition beim Durchpeitschen des Gesetzes hätte anstecken lassen.

Hintergrund: in der SPD gibt es nach wie vor unterschiedliche Positionen zum Beschleunigungsgesetz. Während die von SPD-Chef Björn Engholm geführte SPD-Landesregierung in Kiel mit dem Konzept des Gesetzes leben kann und nur einige Änderungen verlangt, lehnen maßgebliche SPD-Parlamentarier in Bonn das Gesetz rundheraus ab. Deren umweltpolitischer Sprecher Harald Schäfer betonte gestern noch einmal, daß die „Brechstange Beschleunigungsgesetz“ an der völlig falschen Stelle ansetze. ten