Seuchengefahr nur vorgeschoben?

War Schließung des Asylantenheims notwendig?/ CSU fordert erneut Grundgesetzänderung  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Nach der Schließung der südbayerischen Anlaufstelle für Asylbewerber in München wegen angeblicher Seuchengefahr droht die zweite bayerische Anlaufstelle in Zirndorf bei Nürnberg aus allen Nähten zu platzen. Nach dem Aufnahmestopp in München werden alle Flüchtlinge nach Zirndorf ins Wohnheim geschickt. Dessen Leiter, Rainer Siegl, wirft der Stadt München vor, mit einer „fadenscheinigen Begründung“ die Anlaufstelle geschlossen zu haben. Seitdem Gesundheitsreferent Thomas Zimmermann (CSU) am Sonntag die Schließung verordnet hat, vergeht kein Tag, an dem nicht seine Parteifreunde aus der bayerischen Staatsregierung neue Vorschläge verkünden, um Asylbewerber möglichst schnell abschieben zu können oder gar nicht erst einreisen zu lassen. Schon zwei Tage vor der spektakulären Schließung hatte Bayerns Arbeits- und Sozialminister Gebhard Glück wegen des „dramatischen Anstiegs der Bewerberzahlen“ mit einem totalen Aufnahmestopp bei der Unterbringung von Flüchtlingen im Freistaat gedroht. Zu diesem Zeitpunkt waren die Anlaufstellen in Zirndorf und München bereits völlig überbelegt. Bei einer Routineuntersuchung stellte das Gesundheitsamt dann zwei Typhuskranke fest, 37 Menschen waren zwar nicht erkrankt, schieden bei der Untersuchung aber Krankheitskeime von ansteckenden Infektionskrankheiten wie Ruhr oder Salmonellen aus. Wegen Seuchengefahr verfügte daraufhin die Stadt München einen totalen Aufnahmestopp für Asylbewerber und schloß das Heim in der Untersbergstraße. Kein Flüchtling durfte von dort in ein anderes Heim gebracht werden, Besuche wurden untersagt. Eine Quarantäne jedoch hielt die Gesundheitsbehörde nicht für angebracht.

Gerade dies läßt Rainer Siegl aus Zirndorf an der Stichhaltigkeit des Arguments zweifeln. Wenn wirklich Seuchengefahr bestanden hätte, so Siegl, dann dürften sich die Asylbewerber auch nicht mehr frei in München bewegen. Zudem gebe es immer wieder in jeder Anlaufstelle Menschen, die derartige Krankheitserreger ausscheiden. Die Betroffenen würden dann separiert und erhielten spezielle Toiletten. Dies passiere häufiger, man könne „doch nicht jedesmal gleich die ganze Einrichtung schließen“. Inzwischen hat auch ein Sprecher des bayerischen Sozialministerium die Gefahr der Ansteckung durch Flüchtlinge mit Seuchen als „praktisch irrelevante Größe“ bezeichnet. Die „Durchseuchungsrate“ bei den ankommenden Flüchtlingen sei „minimal“.

Münchens Bürgermeisterin Sabine Csampai (Die Grünen) bekräftigte unterdessen die Forderung nach der Errichtung einer dritten Anlaufstelle in Bayern. Sie hält die Schließung der Untersbergstraße schon allein zum Schutz der Asylbewerber für sinnvoll. Sie stellt sich vor den CSU-Gesundheitsreferenten Zimmermann. Er habe „nur das vollzogen, was er vollziehen mußte“. Seine Parteikollegen wissen den in den Medien groß aufgezogenen „Skandal“ geschickt auszunutzen. Sozialminister Glück gestand den Flüchtlingen zwar einen Rechtsanspruch auf Durchführung des Asylverfahrens zu, nicht aber auf Unterbringung in Deutschland. CSU-Generalsekretär Erwin Huber drohte der SPD im Falle deren Ablehnung einer Grundgesetzänderung, daß die unionsgeführten Länder dann die Quotenverteilung überdenken und „alle Flüchtlinge in die SPD-regierten Länder schicken“ würden.