: BND: Schalck war kein Doppelagent
Wenig Erhellung durch den obersten BND-Aufklärer Konrad Porzner im Schalck-Ausschuß/ SPD fordert Rücktritt von Kanzleramtschef Stavenhagen wegen der Affäre um gefälschte Schalck-Pässe ■ Aus Bonn Thomas Scheuer
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hatte zu dem ehemaligen DDR-Devisenagenten und Stasi- Obristen Alexander Schalck-Golodkowski bis zu dessen Befragung ab Januar 1990 keinerlei Kontakte; Schalck war also niemals Informant oder gar Agent des BND. Dies erklärte Geheimdienst-Chef Konrad Porzner (SPD) am Mittwoch vor dem Schalck-Untersuchungsausschuß des Bundestages in Bonn. „So schlecht wäre das gar nicht gewesen“, ergänzte Porzner schmunzelnd, wenn es seiner Firma gelungen wäre, einen so hochkarätigen DDR-Funktionär anzuheuern. Der Republik oberster „Aufklärer“ sollte vor dem Ausschuß die Liaison zwischen dem Pullacher Geheimdienst und dem ehemaligen Ost-Mafiosi erhellen. Porzner wies jedoch darauf hin, daß er erst seit Oktober 1990 dem BND vorstehe, sozusagen „einer Firma, von der er vorher nur wußte, daß es sie gibt“. Er müsse sich daher bei seinen Aussagen auf Unterlagen von Mitarbeitern und seines Vorgängers Wieck stützen.
Ein gut trainierter Zeitungsleser erfuhr denn auch gestern im Ausschuß wenig Neues. Gemäß Porzner hat Schalck im Januar 1990, nach seiner Flucht in den Westen und nach seiner Entlassung aus der Berliner U- Haft, von sich aus über den Münchner Anwalt Khadjavi dem BND seine Kenntisse über DDR-Interna angeboten. Zu jener Zeit sei die DDR als Mitglied des Warschauer Paktes noch „Aufklärungsgebiet“ des BND gewesen. Die Befragung Schalcks sei daher geradezu seine Pflicht gewesen. „Es hätte einer Weisung bedurft, es nicht zu tun“, erklärte Porzner. Schalck sei weisungsgemäß nur befragt, aber nicht betreut worden — „bis auf Ausnahmen“, die der Geheimdienstchef aber im Dunkeln ließ. Auch die strittige Ausstellung falscher Pässe für das Ehepaar Schalck, die seit Tagen für Schlagzeilen sorgt, wollte Porzner nur in nichtöffentlicher Sitzung erörtern. Schalck habe entgegen Pressemeldungen nie Geld vom BND bekommen. Auch seine Unterbringung am Tegernsee sei über private Verbindungen organisiert worden. Aus den 31 Befragungen Schalcks habe der BND „wertvolle Erkenntnisse“ insbesondere über das Firmengeflecht der „Kommerzielle Koordinierung“ und den Waffenhandel gewonnen.
Die Frage, wann genau das Bundeskanzleramt über die Ausstellung falscher Papiere für Schalck im Frühjahr letzten Jahres informiert worden ist, konnte Porzner nicht abschließend klären. Er bestätigte, daß ein BND-Schreiben, das hier möglicherweise Aufschluß geben könnte, bis heute spurlos verschwunden sei. Erst vorgestern verstärkten dem Untersuchungsausschuß zugegangene BND-Akten den Verdacht, Kanzleramtsminister Stavenhagen habe im März 1990 darüber den SPD-Abgeordneten Conradi beschwindelt. Stavenhagens Büro veröffentlichte dagegen eine Mitteilung des BND-Vizes Paul Münstermann, der Stavenhagens Version bestätigte. Interne Verwaltungsermittlungen beim BND hätten „überzeugend ergeben“, daß das von einem BND-Mitarbeiter erstellte Gedächtnisprotokoll über eine Unterrichtung Stavenhagens am 28. Februar 1990, auf das sich die Vorwürfe stützen, in diesem Punkt falsch gewesen sei. Nichtsdestotrotz erneuerte die SPD am Mittwoch ihre Forderung nach dem Rücktritt des Kanzleramtsministers. „Niemand, dem es wirklich ernst ist mit der Wahrheit, wird Stavenhagen im Amt halten können“, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Peter Struck. „Ob Staatsminister Stavenhagen der einzige ist, der gehen muß“, wird nach Ansicht Strucks „die spannende Frage der nächsten Tage und Wochen sein.“
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