Holy Rollers und Wardance

■ Herrscht noch Krieg in den Städten?

Gemeinsam »ES« gelesen: Holy Rollers

Das Berliner Nachtleben beschäftigt sich dezidiert mit Türsteherpolitik und weniger mit dem Anliegen der Gäste. Im Ex sind heute alle diejenigen geladen, denen die Stimmung im beschwingt clubbenden Kreuzberg gegen den Strich geht. Zu »Wardance« kann man schließlich genausogut tanzen wie zu den Plateaurevuen aus den 70er Jahren. Die Wurzeln der Band aus Petersborough/Cambridge, England, liegen zudem im gleichen Zeitabschnitt. Das Gitarrentempo und die Gesangslinien sind eindeutig von der Art, die bei den melodiöseren unter den Punkbands, Damned, Clash oder Generation X, den Punkrock schnell in die Charts geschoben haben. Hier und da tobt sich der Drummer an der Doublebass aus, hackt wie wild im Metalldschungel herum, und wenn ihm der gerastate Bassist zur Hilfe kommt, fließen auch ein paar Takte Raggae in den Pool der Kriegstanzenden. So etwas hatte bis vor kurzem noch den wohlfeilen Oberbegriff »Crossover« untermauert. Doch dafür ist die Musik von Wardance mittlerweile zu weit über Standardexperimentierereien hinausgeraten. Auch wenn die Lautstärke (extrem mütterfeindlich) eher dagegenspricht: Das ist Pop! Sehr rüde zwar, aber das läßt das flammende Teenagepunkherz noch wilder züngeln. Das nächste Mal bekommt der Türsteher im Woauchimmer Prügel, wenn er was gegen Knobelbecher auf dem Parkettfußboden hat.

Nicht viel anders sieht es auf der anderen Seite des Atlantik aus, z.B., na, eben, in Washington D.C., dort wo Fugazi ganz groß und die Holy Rollers noch im Wachstum sind. Wieder diese seltsam richtungsweisenden Anleihen beim Punkrock, diesmal dem von Gang of Four, aber macht nichts, dazu haben sich ja schon die Väter und Mütter besprungen, wahlweise gepogot. Da fällt vor allem ins Gewicht, wie präzise eine Gitarre in den vertrackten Schlagwerkboden hineinsägt, ohne dabei hindurchzufallen. Und siehe da, Ian McKaye, der wahrscheinlich früher oder später zum Phillip Boa der Ostküste mutiert, hat sich der Produktion für das Dischord-Label angenommen, mit dem Ergebnis, das »As Is« nur so vor verfrizzelter Schärfe strotzt. Das ist deswegen natürlich gar kein JazzPunkRock, vielmehr bester WimpJazzPunk, wie ihn die bösesten Collegeangehörige (die, die meistens das Fanzine der Stadt herausgeben) scheinbar immer noch am besten in einer gesunden Dreierjungfamilie (Baß, Schlagzeug, Gitarre, und keiner/keine kommt zu kurz) hingebogen kriegen (Jugendfreundschaften halten bis ins hohe Alter, man denke nur an die bücherwürmertriefenden, hantelschweren Nachschlagwerke in Sachen Horror, die Stephen King in sechsmonatlichem Rhythmus den Bestsellerlisten aufdrängt). Harald Fricke

Wardance und Holy Rollers spielen um 22Uhr im Ex.